Das Projekt

Anfang Mai 2022 hat die VSE AG gemeinsam mit renommierten Partnern aus den Bereichen Industrie, Forschung und Software/Consulting ein Digitalisierungsprojekt für die Energiebranche gestartet. Ziel des idFlexNetz getauften Forschungsvorhabens ist es, digitale Modelle ("Zwillinge") vorhandener Netzbetriebsmittel zu schaffen, um diese nebst Algorithmen zur Betriebsführung dem Markt zur Verfügung zu stellen.

Mit Blick auf die Erfordernisse der Dekarbonisierung verknüpft das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klima mit rund 2 Mio. Euro geförderte Digitalisierungsprojekt die Sektoren Wärme, Gas, Strom und Mobilität. Dabei geht es prinzipiell darum, die Verteilnetze fit für die Zukunft zu machen. Eine durch die wachsende Bedeutung der erneuerbaren Energien (EE) zunehmend dezentrale und hochdynamische Energieerzeugung übergreifend und intelligent mit immer flexibleren lokalen Verbrauchern maßgeschneidert abzustimmen.

Dies erfordert für den Netzbetrieb den flexiblen Einsatz von Modellen zur Abbildung der vorhandenen Betriebsmittel und Assets sowie von Algorithmen zur Betriebsführung dieser Assets. Beispiele für Algorithmen sind die Vorhersage der lokalen Einspeisung von PV-Strom oder Algorithmen zur Berechnung von Steuervorgaben für den netzdienlichen Einsatz lokaler steuerbarer Verbraucher oder Speicher. Beispiele für Modelle sind spezialisierte und angelernte Modelle zur Simulation und Betriebsführung von Netzbetriebsmitteln. Diese Berechnungsmodelle und Algorithmen sind in der Regel eng an die von den Akteuren genutzten Systeme gekoppelt.

Mit der Digitalisierung stehen jedoch unterschiedliche Ansätze der Datenanalyse und Berechnung sowie der Modellbildung sowohl konkurrierend als auch ergänzend von verschiedenen Akteuren zur Verfügung, so dass gerade vor dem Hintergrund einer Dezentralisierung der Energieversorgung eine zunehmende Spezialisierung der Berechnungsmodelle zu erwarten ist. So sind Vorhersagemodelle für die Schwäbische Alb in Berlin eventuell nicht nutzbar, ähneln aber gegebenenfalls denen im Bayerischen Wald. So sind z.B. Modelle einer Wärmepumpe, erstellt durch einen Data-Scientist mit spezieller Erfahrung in einem Anwendungsfeld, besser modelliert als durch den Hersteller der Pumpe. Da Algorithmen in der Regel ebenfalls das Modell eines realen Prozesses abbilden, wird im Weiteren nur noch von Modellen gesprochen.

Schematisches Abbild des Projektes

In dieser Abbildung ist die Integration von Anwendungen mit dezentralem Marktplatz für Modelle & Geräte schematisch dargestellt. Wenn man die Abbildung von unten nach oben anschaut, stellt es sich wie folgt dar.

Geräte im Feld wie Speicher-, Erzeugungs- oder Verbrauchergeräte werden sowohl über ihre Geokoordinaten als auch als Betriebsmittel in der entsprechenden Netztopologie verortet. Die Geräte im Feld sind dabei mit "ihrem" jeweiligen Digitalen Zwilling assoziiert und über eine offene standardisierte Programmierschnittstelle (API) können beide miteinander kommunizieren (wie z.B. Sensordaten auslesen oder eine Wartung anfordern). Im Digitalen Zwilling sind Informationen zum assoziierten Gerät hinterlegt sowie weitere Modelldaten, relevante Marktstammdaten oder Messdaten sowie ein Modell-Bewertungs-Score. Prognosemodelle werden durch ihre Modellparameter und den beschreibenden Zusatzinformationen wie auch die geographischen Eigenschaften beschrieben. Diese Modelle sind ebenfalls mit Ihren jeweiligen Digitalen Zwillingen assoziiert und über offene Schnittstellen können diese mit verschiedenen Anwendungen kommunizieren. Im Digitalen Zwilling sind Informationen zum Prognosemodell hinterlegt, wie z.B. dezentraler Identifikator und Modelldaten.

Mit den Digitalen Zwillingen lassen sich verschiedene Anwendungen zum Netzbetrieb (Netzkapazitätsschätzung, Netzsimulation, Netzlastprognosen) durch den Netzbetreiber in verschiedenen Ausprägungen und Szenarien aufsetzen, um beispielsweise besonderen Bedingungen vor Ort gerecht zu werden.

Die Modelle und ihre Repräsentanz als Digitaler Zwilling stellen somit digitale Güter dar, welche in verschiedenen Anwendungen zum Einsatz kommen können und von Marktakteuren angeboten oder nachgefragt werden können. Im Projekt erfolgt der Einsatz unter den Gesichtspunkten des Netzbetriebs. Die digitalen Güter können daneben auch weiteren Marktakteuren über das Ökosystem angeboten werden. Zu diesen Marktakteure zählen beispielsweise die Eigentümerinnen und Eigentümer der Anlagen, Bilanzkreisverantwortliche oder Virtual-Power-Plant-Aggregatoren, um nur einige zu nennen.

Zur Realisierung eines vertrauenswürdigen Handelns der digitalen Güter bedarf es dezentraler Identifikatoren, die mit der sogenannten "Identity Trust Fabric" verankert sind. Diese Verankerung erfolgt mit dem Ziel, die Zuordnung von Schlüsseln mit dem dezentralen Identifikator überprüfbar und somit vertrauensvoll zu machen. Zudem ermöglicht sie eine standardisierte Integration in bestehende IKT-Ökosysteme.