kontakt 04/2023

Russland bezogen und es ist uns gelungen, diese Mengen nahezu vollständig zu kompensieren. Erdgas kommt vorwiegend aus Norwegen und den Niederlanden, wobei die Förderung dort inzwischen eingestellt wurde, sowie aus LNG-Importen. Dieses Flüssiggas stammt zu über 80 Prozent aus den USA und zu geringen Teilen aus Afrika, Westeuropa und arabischen Staaten. Künftig sollen die LNG-Kapazitäten erhöht werden, zum Beispiel ab 2027 aus Katar. Allerdings bleiben auch diese Mengen überschaubar. Dadurch dass wir in Europa ein GasVerbundnetz haben, gibt es weiterhin physikalisch betrachtet russisches Gas in europäischen Pipelines, beispielsweise über das Netz der Ukraine oder der Türkei, obwohl Deutschland kein Gas mehr aus Russland bezieht. Erst wenn Russland seine Erdgaslieferungen an Europa komplett einstellen würde, gäbe es auch kein russisches Gas mehr in den europäischen Netzen. Was bedeutet die Zunahme von Flüssiggas, sprich LNG, für Deutschland? Dass der LNG-Terminal auf Rügen noch nicht gebaut wurde, könnte zu einem Kapazitätsproblem bei der Gasversorgung in Ostdeutschland führen, und zwar wenn der kommende Winter sehr streng wird. Das Erdgas-Leitungssystem der letzten Jahrzehnte wurde in Deutschland und Osteuropa in Abhängigkeit der Belieferung aus Russland konzipiert und so gebaut. Dies führt letztlich dazu, dass man nicht ohne weiteres einfach mehr Erdgas im Westen in das europäische Verbundnetz einspeisen kann, damit es zu gleichen Teilen im Osten ankommt. Die Entladestation in Ostdeutschland sollte daher so schnell es geht gebaut werden, um möglichen Kapazitätsproblemen vorzubeugen. Problematisch sehe ich zudem die Preisentwicklung. LNG wird zu Marktpreisen auf den Weltmärkten gehandelt und ist nicht pipeline-abhängig. Eine hohe Nachfrage bei knappem Angebot treibt die Preise deutlich nach oben. Eine Diversifizierung bei LNG ist für Deutschland demnach geboten, sonst kommen wir erneut in eine starke Abhängigkeit. Was würde bei einer Gasverknappung in Deutschland passieren? Sind wir besser aufgestellt als zu Beginn des Russland- Kriegs? Die Speicher sind voll, die Kommunikation zwischen den Marktpartnern ist mittlerweile eingespielt und die Sparappelle vor allem in der Industrie haben im letzten Winter funktioniert. Unwägbarkeiten bleiben trotzdem wie die weltpolitische Lage oder die Temperaturen im Winter. Sollte es tatsächlich zu einer Mangellage kommen, kann die Bundesnetzagentur ganz stringent und gesetzeskonform Abschaltungen vornehmen. Allerdings betrifft das weder Krankenhäuser, Altenheime noch Privatkunden, was ja auch technisch so gut wie nicht machbar wäre. Im Übrigen haben Privathaushalte in der vergangenen Heizperiode gar nicht so viel Erdgas eingespart wie von ihnen freiwillig gefordert. Den größten Einsparbeitrag hat die Industrie geleistet, obwohl die Gründe dafür unterschiedlicher Natur sein können. Welche Rolle könnte der Einsatz von Wasserstoff bei der künftigen Wärmeversorgung in Deutschland spielen? Wasserstoff ist ein Premiumprodukt und in der Herstellung derzeit sehr teuer. Der Einsatz macht vor allem Sinn in Branchen, die sehr energieintensiv sind wie die Stahlindustrie. Dass Wasserstoff bei der Versorgung von Privathaushalten in absehbarer Zukunft eine größere Rolle spielt, sehe ich zurzeit nicht. Zunächst müssten die Netze dafür aufgebaut werden inklusive der Anschlüsse an die großen europäischen Wasserstoffpipelines sowie nennenswerte Produktionskapazitäten. Hinzu kommt der sich immer stärker abzeichnende Fachkräftemangel: Es fehlen schlicht und ergreifend die Installateure, die so etwas umsetzen, und das nicht nur im Wasserstoffbereich. Die Wärmewende ist und bleibt der Knackpunkt, um die Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen. Welche Möglichkeiten haben wir in Deutschland? Die Städte und Gemeinden sind aufgefordert, bis 2026 bzw. kleinere Kommunen bis 2028 eine belastbare Wärmeplanung vorzulegen. Das ist richtig so, denn diese Planung bildet die Basis, um Berechnungen und den nötigen Investitionsbedarf festzustellen. Aufgrund der mangelnden Datenlage bleibt dies aber ein schwieriges Unterfangen. Welche realen Möglichkeiten hat Deutschland nun beim Umbau der Wärmeversorgung? Wasserstoff, Nahwärme oder Wärmepumpe? Da eine funktionsfähige Infrastruktur für Wasserstoff erst einmal aufgebaut bzw. ertüchtigt werden muss – gleiches gilt für 6 Dr. Hanno Dornseifer, Vorsitzender des Verbands der Energie- und Wasserwirtschaft des Saarlandes VEWSaar e. V., Mitglied des Vorstands der VSE AG und Präsident der IHK Saarland VSE kontakt | Trends & Themen

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