kontakt 03/2024

Positionswechsel: VSE-Vorstand Hanno Dornseifer im Wassernetz Herausforderung: „Kommunale Wärmeplanung“ auf dem Prüfstand Berufseinstieg: 37 neue Azubis und Studierende in der VSE-Gruppe Teil der Energiewende 03/2024

04 Mein Sprung ins kalte Wasser 06 Kommunale Wärmeplanung 08 Zukunftsweisende Zusammenarbeit 10 Aus Pflicht wird Kür 12 Mehr Klartext gefordert! 14 „Grüner“ Neustart hinter der Grenze 16 Keine Angst vor Künstlicher Intelligenz 18 Das große Ziel heißt Energiewende 22 Die digitale Zukunft des Saarlandes 23 Gemeinsam in die Energiezukunft 24 Vom Breitband- zum IKT-Lösungsanbieter“ 26 „ Von der Energiebeschaffung bis zum Kundenservice“ | energis-Reihe, Teil 2 30 100 Prozent Ökostrom von Bürgern für Bürger 32 Mit der Sonne tagen 2 VSE kontakt | Inhalt 33 Kleine Energieexperten 34 WATT-Vereine des Monats 36 energis stärkt Vereine mit Workshop 38 News – Kurz und bündig 42 VSE sagt DANKE 44 Start ins Berufsleben 46 Von internationaler Betriebswirtschaft zu regionaler Energiewende 48 Musik bewegt! 49 Ein Herz für die Region 50 Helden der Gesellschaft 52 Woche der Ideen 53 Einmal VSE, immer VSE! 54 10 Jahre KiTa „Meine Villa“

Liebe Leserinnen und Leser, Die Zeiten sind anspruchsvoll, heißt es … aber waren sie das nicht immer? Wir wachsen mit unseren Herausforderungen und diese nehmen wir mutig und beherzt an. Während überall beklagt wird, dass das Interesse an Elektro-Autos rückläufig ist, investieren wir gerade jetzt in den Ausbau der Ladeinfrastruktur, unter anderem mit Gleichstrom-Schnellchargern. Als größter Betreiber von Ladekapazitäten im Saarland setzen wir auf die e-mobile Zukunft. So stützen wir den Standort und leisten einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz. Wir setzen weiter auf die Energieerzeugung aus regenerativen Quellen, vor allem aus Wind und Sonne. Die VSE-Gruppe ist Motor des Ausbaus Erneuerbarer Energien in der Region mit einem Gesamtinvestitionsvolumen bis dato von rund 134 Millionen Euro. Mit Partnern ist die VSE an rund 163 Megawatt (MW) installierter Windkraft und Photovoltaik beteiligt. Weitere Projekte von über 80 MW Windkraft – die größten davon in Nohfelden-Zallenberg, Losheim, Wadrill und Tholey – sowie 6 MW Photovoltaik in Namborn und Rammelfangen sind in Planung. Damit sichern wir die Energiewende im Saarland. Um den erhöhten Anforderungen an die Netzinfrastruktur zu genügen, investiert die VSE-Gruppe allein in den kommenden drei Jahren rund 360 Millionen Euro. Davon profitiert die heimische Wirtschaft, denn über 50 Prozent der Aufträge und fast 90 Prozent der Bauarbeiten vergibt die VSE-Gruppe an saarländische Unternehmen. Damit sichern wir Arbeitsplätze in der Region und regionale Wertschöpfungseffekte von über 260 Millionen Euro allein im Jahr 2023. Diese Zukunftsinvestitionen machen die Unternehmen der VSE-­ Gruppe zu begehrten Arbeitgebern. Im kommenden Jahr kann die Belegschaft um weitere 200 Arbeitskräfte auf rund 1.800 gesteigert werden. Zu Beginn des neuen Ausbildungsjahres haben 37 junge Menschen ihre Ausbildung in der VSE-Gruppe begonnen. Dies alles macht uns zuversichtlich. Mit dem Vertrauen und der Unterstützung unserer kommunalen Partner, Anteilseigner, Kunden und Mitarbeitenden werden wir die Herausforderungen der Zukunft meistern. Mit freundlichen Grüßen Ihr VSE-Vorstand Editorial Dr. Stephan Tenge Dr. Hanno Dornseifer 3 IMPRESSUM Herausgeber: VSE AG Redaktion: Marie-Elisabeth Denzer [v.i.S.d.P.] Mitarbeiter dieser Ausgabe: Marie-Elisabeth Denzer [med], Sarah Lehnen [sl], Katja Scherer [ks], Armin Neidhardt [nea], Thomas Jungmann [tj.], Michi Jo Standl [mjo], Lena Esseln [le], Dr. Hanno Dornseifer [hd] Fotos: Armin Neidhardt, brainworks unlimited, VSE AG, energis GmbH, Dirk Guldner, THW Ortsverband Saarwellingen, THW Ortsverband St. Wendel, Mathias Martin, Daniel Müller, Frederic Sander, Rolf Ruppenthal, Lukas Wawotschni, Lorena Rues/Gemeinde Rehlingen-Siersburg, Herbert Rupp, CongressCentrum Saar GmbH, Deutsches Forschungszentrum für künstliche Intelligenz GmbH, Parkhotel Weiskirchen GmbH/Vitalis Weiskirchen, Congress-Centrum Saar GmbH, Tobias Pinkel, Michi Jo Standl, Herbert Rupp, Serge Eiffes, Stefan Mohr, Voltaris GmbH, Power Plus Communications AG, Impuls Soziales Management GmbH & Co. KG, Katja Scherer, Michelle McCarty, Gemeinde Illingen, Mathias Blum, Nollmeyer Media, istockphotos, adobestock Layout: Michael Weiss, Saarbrücken Druck: Druckerei Wollenschneider, Saarbrücken-Ensheim Copyright: VSE AG – Kommunikation, Postfach 10 32 32, 66032 Saarbrücken, Telefon 0681 607-1153, kontakt@vse.de, www.vse.de

Wussten Sie, dass in Kapstadt, Chennai (für alle, die in Erdkunde nicht aufgepasst haben, die Stadt liegt in Indien), Barcelona oder Mexiko-Stadt in den vergangenen Jahren die Bewohner öfters auf dem Trockenen saßen? Und wussten Sie, dass Wasser zunehmend ein rares Gut wird in der Welt? 4 VSE kontakt | Trends & Themen Physiker und Wissenschaftsjournalist: Ranga Yogeshwar Wassergewinnung und -transport. Genau der Richtige, um „meine Großstadtfrage“ zu platzieren: „Na, wie sieht’s denn im Saarland aus? Muss ich bald meinen Bierkonsum wegen Wasserknappheit reduzieren?“ Das sieht Herr Stab nicht. Insbesondere die energis habe genügend Wasserrechte, die wir zum Teil noch gar nicht ausschöpfen, aber könnten. Na dann mal Prost! Ein Stein fällt mir vom Herzen. Herr Stab berichtet weiter, dass die 45 Brunnenbohrungen, die ehemals Saarberg gehörten, mit 50 – 60 Jahren teilweise schon recht alt seien (und manche sogar noch älter). Na, na, na grummele ich so vor mich hin; einen Blick in meinen Ausweis kriegt er schon mal nicht. Im Wasserwerk lerne ich, dass dort das Wasser (aus den „alten“ Brunnen) gesammelt, aufbereitet und dann zu Hochbehältern gepumpt wird oder direkt zu Kommunen oder Industriekunden. Wie sorgsam wir mit dem wertvollen Gut Wasser umgehen, erfahre ich in unserem Wasserlabor vom Kollegen Andreas Edelbluth. Der Mann ist Mikrobiologe und untersucht mit seinen Kolleginnen im Labor Wasserproben. Ich hätte es wissen müssen. Die Reise führt mich von Legionellen über Radon bis hin zu – halten Sie sich fest – Enterococcus faecalis. Jetzt muss man (nicht ich) wissen: Solche Legionellen sind komische Biester. Herr Edelbluth erklärt, dass man „verdächtiges Material“ aufzüchten muss und bis zu 10 Tage braucht bis zur Identifikation. An Bier will ich da gerade so gar nicht denken. Aber keine Sorge, in unserem Labor arbeiten Experten, so dass ich mir um das Nahrungsmittel Wasser, zumindest im Saarland, wirklich keine Sorgen machen muss. Dass ich in Biologie nicht so wirklich aufgepasst habe, wurde mir dennoch klar und Erinnerungen an so manch schulische Leistung kommen hoch. Daher vielleicht das flaue Gefühl im Magen. Patrick Adam (stellvertretender Leiter der Sparte Wasser) ist der nächste, den ich treffe; so ganz heimlich hat sich auch noch der Leiter der ganzen Wassertruppe, Patrick Kerwer, dazugesellt. Knapp 40 Kolleginnen und Kollegen stemmen den ganzen Laden. Respekt! Und stellen damit das Rückgrat der Vorstand Dr. Hanno Dornseifer über seinen Tag im Wassernetz Mein Sprung ins kalte Wasser Grund genug, mal nachzuhören, wie es im Saarland aussieht. Wo wäre ich da besser aufgehoben, als bei den Wasserfachleuten der energis-Netzgesellschaft. Oder, um es kurz zu machen: Ich musste mal wieder raus! Los ging es am 20.8.2024 in der Hauptverwaltung der VSE AG, wo Waldemar Stab auf mich wartete. Die Fahrt im Elektroauto, das wegen mir frisch gereinigt wurde (Vorstand muss man halt sein – Quatsch mit Soße – fand ich aber dennoch nett), ging flugs zum Wasserwerk Spiesermühltal. Kollege Stab kam übrigens von Leverkusen zurück ins Saarland, woher er auch stammt. Recht hat er, denke ich. Der Mann hat Maschinenbau studiert und ist jetzt bei der energis-Netzgesellschaft mbH als Betriebsingenieur zuständig für

5 Trends & Themen | kontakt VSE Wasserversorgung im Saarland dar. Mein lieber Schwan, da fühle ich mich echt ein bisschen stolz. Wen wundert’s, dass wir auch auf Zahlen zu sprechen kommen, also Euros. Da stehen Millionen Invest vor der Tür für Sanierungen von Leitungen, Brunnen, neue Wasserleitungen usw. Muss sein, denke ich; wer „A“ sagt, muss auch „B“ sagen. Wir verlassen das Spiesermühltal und rollen auf leisen elektrischen Sohlen nach Schwarzenholz. Mein lieber Mann, kann ich nur sagen; die Truppe um Nils Feld will dort an einem Brunnen eine Sonde zur Nitratmessung ablassen; wir reden von über 30 Meter Tiefe. Da hebt mal gerade ein veritabler Kran das Rohrgestänge aus dem Boden, um dann die Sonde ins Grundwasser abzulassen. Das Ganze hakt ganz ordentlich; die Sonde bleibt immer wieder hängen – und zusätzlich muss noch alles unter hygienischen Bedingungen ablaufen. Ich kann die Sonde verstehen; ich hätte auch keine Lust, 5 Jahre im Dunkeln im Grundwasser zu hängen. Also muss das Rohrgestänge noch weiter raus. Mir wird wieder etwas mulmig. Gerade erst Enterococcus faecalis verarbeitet, und jetzt so eine Nummer. Da der Kranführer entspannt bleibt, versuche ich es auch. Irgendwann gibt die Sonde ihren Widerstand auf und muss jetzt 5 Jahre Daten für eine Studie liefern; haben wir ein Nitratthema: ja/ nein. Danach sind wir schlauer. Nur nochmal zur Klarstellung: Was ich da gesehen habe, war knallharte körperliche Arbeit. Davon werde ich auf meinem Ausflug noch mehr sehen. Ist mir aber hier an dieser Stelle wichtig, wenn wir da schon sind. Der nächste Haltepunkt auf meinem Trip ist Riegelsberg. Dort hat es einen ordentlichen Leitungsschaden gegeben an einer Stahlleitung aus dem Jahre 1937. Mal von den 3 Löchern – wahrscheinlich durch Steine – abgesehen, sieht die Leitung noch ganz frisch aus. 11 mm Wandstärke, als ob nix gewesen sei. Qualität halt. Das lädierte Stück wurde durch eine PE-Leitung ersetzt und sobald die passenden Muffen geliefert sind, nimmt die Leitung wieder ihren Dienst auf. Das Ganze erklärt mir Rüdiger Herrmann, seines Zeichens Rohrnetzmonteur. Auch hier komme ich nicht umhin zu erwähnen, wovon wir reden: Harte Arbeit! Ich muss noch etwas Peinliches erzählen: Der Radweg zum Rohrschaden ist gesperrt, klar, durch uns. Und da wir da durchmüssen und auch dürfen, stoppt mein Begleiter Waldemar Stab den Wagen, steigt aus, öffnet die Barke, steigt wieder ein. So ein Mist, merke ich – aber zu spät: „Das hättest eigentlich Du machen müssen!“, klingt es mir vorwurfsvoll zwischen den Ohren. Aus der Nummer komme ich mit einem blauen Auge raus, indem ich wenigstens das Tor schließe. „Hanno Dornseifer, aufpassen, aufpassen…“, würde wohl Lehrer Lämpel sagen. Es kommt die letzte Station, das Wasserwerk Bisttal. Die jüngste Anlage an diesem Tag, und ich erfahre dort, dass wir im nächsten Jahr einen Flachbettbelüfter in Betrieb nehmen. Jetzt nur nicht auf falsche Gedanken kommen, meine Damen, meine Herren. Mit dieser Anlage zur physikalischen Hochleistungsentsäuerung erhöht man auch bei steigenden Abnahmemengen den pHWert des sauren Grundwassers sicher auf über 7,7. Zur Einweihung dieser Anlage im nächsten Jahr habe ich mich frech selbst eingeladen. Markus Zinsmaier, der den Bau verantwortet, nimmt es mir nicht übel, die Einladung steht. Ansonsten nochmal kurz zur Wiederholung, wie im Bisttal die Aufbereitung und der Transport organisiert ist. Ich bin nachhaltig beeindruckt, was mir Jean-Philippe Unverricht als anlagenverantwortlicher Meister für die Anlagen im Westen da so alles mitgibt. Nach knapp 8 Stunden endet mein Ausflug und ich bin tief beeindruckt. Tolle Technik, tolle Infrastruktur, aber insbesondere eine supercoole Truppe. Um mein Feierabendbier ist mir nicht bange. Herzlichen Dank an die Wassersparte der energis-Netzgesellschaft mbH. [hd] Weitere Infos: waldemar.stab@energisnetzgesellschaft.de

VSE kontakt | Trends & Themen Nicht mehr als ein grobes strategisches Instrument Kommunale Wärmeplanung 6 Aktuell sind die Städte und Gemeinden damit befasst, Wärmepläne für ihre Region zu erstellen, damit der Wärmesektor in Deutschland auch pünktlich klimaneutral wird. Zudem sollen die Ergebnisse der Initiative Verbrauchern und der Industrie erste Orientierung und etwas Sicherheit bieten, in welche Richtung sich die Wärmeversorgung in ihrem Gebiet tendenziell entwickeln wird. Optionen sind – weg von fossilen Energieträgern – eine strombasierte Versorgung, aber auch eine auf Basis von Nah- oder Fernwärmenetzen und theoretisch sogar Wasserstoff. Unterstützung und Abstimmung Jede Wärmeplanung an sich ist so individuell wie die einzelne Region selbst, für die sie erstellt wird. Um die Herausforderung zu stemmen, lassen sich die Kommunen teilweise von Ingenieurbüros oder anderen Unternehmen unterstützen oder schließen sich mit benachbarten Gemeinden zusammen, um Synergieeffekte zu nutzen. Abgestimmt wird das Ganze zwischen einzelnen Versorgern beispielsweise von Branchenverbänden wie dem BDEW und auf kommunaler Ebene von dem Deutschen Städte- und Gemeindebund. Dabei ist der Wärmeplan – ganz wichtig – nicht als die lang ersehnte Antwort auf alle derzeit offenen Fragen rund um die künftige Wärmeversorgung zu verstehen, sondern lediglich als ein erster Schritt respektive ein grobes strategisches Instrument. Wer glaubt, nach Abschluss der Wärmeplanung genau zu wissen, welche Heizungsanlage, welche Wärmequelle für ihn die richtige ist, irrt. Rolle der Stadtwerke Stadtwerke sind mit ihren beiden getrennten Bereichen als Energieversorger und als Netzgesellschaft in der Regel wie folgt in die Wärmeplanung involviert. Die Netzgesellschaften dienen in dieser frühen, eher von Bestandsaufnahme geprägten Phase daher als wichtige Datenlieferanten. Verbrauchs- und Netzdaten. Und alles natürlich streng anonymisiert. Später dann werden die Stadtwerke als Ganzes mit ihrem umfassenden Know-how, den profunden Detailkenntnissen in ihrer Region und nicht zuletzt ihrer großen Nähe zum Kunden bei der Umsetzung der Wärmepläne sicherlich einen wichtigen Beitrag leisten. Vereinzelt werden Stadt- und GemeindeBis 2045 soll Deutschland klimaneutral werden. Gebäude und Heizen machen heute immer noch etwa ein Drittel seines CO2-Ausstoßes aus. Für 2024 hat der Bund die Länder verpflichtet, eine verbindliche Wärmeplanung zu erarbeiten, wie diese gedenken, ihre Heizinfrastruktur klimaneutral umzubauen. Die Länder dürfen diese Aufgabe an die Kommunen delegieren, da diese in ihren Regionen über bessere Informationen verfügen. Großstädte müssen ihren Wärmeplan bis Mitte 2026 vorlegen, während kleinere Gemeinden zwei Jahre länger Zeit haben. Derweil fragen sich viele Hausbesitzer, was der Wärmeplan nun konkret für sie und ihre aktuelle und künftige Wärmeversorgung bedeutet.

Trends & Themen | kontakt VSE Weitere Infos: martin.backes@energis.de derr-ralf@vse.de 7 werke auch Wärmeplanungen im Auftrag von Städten oder Kommunen durchführen. Ebenso, wie es die energis als Regionalversorger derzeit zusammen mit einem Ingenieurbüro bzw. Partner anbietet. Wenn etwa ein neues Wärmenetz auf- oder das Stromnetz ausgebaut werden soll, wird wohl kein Weg an den Stadtwerken vorbeiführen. Letztere sind in den meisten Fällen sowieso schon mit Transformationsprozessen im Rahmen der Energiewende befasst und ertüchtigen ihre Netze für die Energieversorgung der Zukunft. In dieser Beziehung stecken die Stadtwerke in einem durchaus vergleichbaren Dilemma wie Verbraucher. Beispielsweise gibt es derzeit keinerlei belastbare Beschlüsse aus Berlin, wie es mit den bestehenden Gasnetzen weitergeht. Es gibt also keine Investitionssicherheit. Und obgleich die Entscheidung zwischen Stilllegen und Sanieren, H2-tauglich machen, über immense Investitionssummen bestimmt, können die Stadtwerke – ähnlich wie Verbraucher angesichts ihrer Unsicherheiten – nicht die Hände in den Schoß legen und in Ruhe abwarten, welche Ergebnisse die Wärmeplanung hervorbringt. Die Stadtwerke müssen die Transformation voranbringen und gleichzeitig permanent die Versorgungssicherheit für die Bürgerinnen und Bürger garantieren. Und das erfordert Zeit und hohe Investitionen. Welche Wärmequellen bleiben? Prinzipiell ist zu erwarten, dass die Wärmeplanungen der Gemeinden vier bis fünf verschiedene Optionen in puncto Wärmequelle ergeben werden: Zuerst ist hier Strom zu nennen, der in Deutschland künftig eine größere Rolle spielen wird. Vieles weist aktuell darauf hin, dass auch das Gasnetz in der Übergangsphase bis 2045 noch eine wichtige Komponente bleiben wird, zumal es theoretisch mit Wasserstoff bzw. synthetischen Gasen oder Biogas weitergenutzt werden kann. Die Wasserstoff-Option ist auf dem Wärmesektor insoweit mit Vorsicht zu genießen, als hier wegen der Knappheit/Verfügbarkeit und der hohen Kosten für grünen Wasserstoff wohl die Industrie den Vortritt genießt, die dringend darauf angewiesen ist. Eine weitere Möglichkeit sind Nahwärmenetze, über die beispielsweise Wärme von einem Blockheizkraftwerk oder einer Holzschnitzelheizung in Verbindung mit PV an die Bürger geliefert wird. Hier besteht zwar eine gewisse Abhängigkeit von einem einzelnen Betreiber. Aber Nahwärmenetze können preislich durchaus konkurrenzfähig mit anderen Energieträgern mithalten. Auch unvermeidbare Abwärme von Industriebetrieben, mit der die Verbraucher über Nahwärmenetze versorgt werden, sind in der aktuellen Diskussion. Bei Industrie-Abwärme sind zwei Punkte zu bedenken. Zum einen wird hier immer weniger Abwärme anfallen, weil Prozesse immer effizienter werden. Zum anderen besteht die Gefahr eines Ausfalls der Abwärme durch Schließung oder Verlegung von Betrieben. Fernwärme wird sicherlich weiterhin eine Rolle spielen. Nichtsdestotrotz sollten nicht allzu starke Hoffnungen auf flächendeckenden Wärmenetzen ruhen. Denn wo derzeit noch kein Wärmenetz existiert und die Wärmedichte gering ist, wird aller Voraussicht nach auch kein neues Wärmenetz entstehen. Etwas offener, aber sehr interessant mit Blick auf technologische Fortschritte, ist in diesem Zusammenhang das Thema Geothermie. Das Gebot der Stunde? Eine pauschale Beratung, was viele Hausbesitzer erwarten, ist bei der kommunalen Wärmeplanung sehr schwierig. Verbrauchern, die derzeit eine Gasheizung betreiben, die noch nicht zu alt ist, würden Experten u. U. noch die Empfehlung aussprechen, tatsächlich die Ergebnisse der Wärmeplanung für ihr Gebiet abzuwarten. Aber mit Vorbehalt, da die Gas- und CO2-Preise in absehbarer Zukunft stark steigen werden. Wer heute bei seriösen Stellen um Rat fragt, bekommt immer wieder zu hören: „Bloß keinen Schnellschuss abgeben, die eigene Situation genau analysieren, je nach Budget sanieren, isolieren und Wärmdämmung sind immer richtig, dann mit mehreren unterschiedlichen Fachleuten besprechen und in Ruhe überlegen.“ Am Ende sollte sich jeder umfassend über das Thema Heizungswechsel informieren – also nicht überstürzt handeln – und die eigenen Optionen ausloten, um später keine Überraschungen erleben zu müssen. Beratung durch die Stadtwerke Zu empfehlen ist hier unbedingt eine Energieberatung durch die Stadtwerke vor Ort, Gebäude-Energieexperten, Schornsteinfeger oder Heizungsbauer. Auch raten Experten, die hohen Erwartungen an die Verfügbarkeit künftiger Nahwärmenetze zurückzuschrauben, da damit nicht in ausreichendem Maße zu rechnen ist. Ähnlich verhält es sich mit der Annahme, dass überall dort, wo heute ein Gasnetz vorhanden ist, in Zukunft Wasserstoff in ausreichenden Mengen zur Verfügung stehen wird. Das ist ein Trugschluss. Die großen Herausforderungen Für alle Energieversorger und Netzbetreiber bringen die Energiewende und die damit verbundenen Transformationsprozesse zwei entscheidende Herausforderungen mit sich. Sie sind mit immensen Investitionen verbunden und müssen angesichts eines eklatanten Fachkräftemangels hierzulande von kompetentem, gut ausgebildetem Fachpersonal umgesetzt werden. Auch das ist ein indirekter Kostenfaktor. Allein die Ertüchtigung und der Ausbau der Stromnetze werden über Jahrzehnte noch Unsummen verschlingen. Kosten – auch das gehört zur Wahrheit dazu –, die auf den Verbraucher umgelegt werden müssen. Allen muss klar sein, dass es eine Wärmewende – ganz gleich, welches aktuelle Förderprogramm die aktuelle Regierung gerade auflegt –, dass es eine fundamentale Transformation unserer Energieversorgung zum Nulltarif nicht geben kann. [tj.]

Bürgermeister Joshua Pawlak über das innovative Wärmeplanungsprojekt mit energis Zukunftsweisende Zusammenarbeit Weitere Infos zum Ausbau: pl@comdialog.com 8 VSE kontakt | Trends & Themen Herr Pawlak, wie ist die Kooperation mit energis zustande gekommen? Die Kooperation kam durch eine Mischung verschiedener Faktoren zustande. Als Gemeinde haben wir uns intensiv mit dem Thema beschäftigt und uns genau angesehen, welche Entwicklungen in Berlin dazu gerade stattfanden. Im Herbst letzten Jahres war ich deshalb bei verschiedenen Unternehmen, politischen Vertretern in Berlin und im Bundesbauministerium bei Staatssekretär Dr. Bösinger zu Besuch. Gleichzeitig hat sich auch energis als Energieversorger und Netzbetreiber Gedanken gemacht, wie man auf diese Herausforderungen reagieren muss. Die Gemeinde Rehlingen-Siersburg mit ihren 10 Ortsteilen bietet unterschiedliche Gegebenheiten und Herausforderungen, die sich ideal für ein Pilotprojekt eignen. Aufgrund der ohnehin bereits bestehenden, jahrelangen Zusammenarbeit sind wir miteinander ins Gespräch gekommen. Was sind für die Gemeinde die größten Herausforderungen im Bezug auf die kommunale Wärmeplanung? Für die Gemeinde ist vor allem der enorme Personaleinsatz, der in den Rathäusern erforderlich ist, herausfordernd. Viele Daten müssen zusammengetragen und ausgewertet werden. Zudem gibt es hohe Erwartungen seitens der Bürgerinnen und Bürger, die oft verunsichert sind und daher einen Anhaltspunkt und Planungssicherheit benötigen. Dies führt zu einer zeitlichen Dringlichkeit, die zusätzlich zu den ohnehin schon zahlreichen Aufgaben im kommunalen Bereich bewältigt werden muss. Im Gespräch mit KONTAKT gewährt der Bürgermeister der Gemeinde Rehlingen-Siersburg, Joshua Pawlak, einen Einblick in das Pilotprojekt, das in Zusammenarbeit mit energis umgesetzt wird. Dabei erläutert er, wie die Kooperation zustande kam, welche Herausforderungen die Gemeinde dabei zu bewältigen hat und welche Erwartungen und Ziele damit verbunden sind. Darüber hinaus gibt er einen Einblick in den Zeitplan und den aktuellen Stand der Umsetzung, sowie einen Ausblick auf die langfristigen Auswirkungen dieses Projekts auf die Wärmeversorgung der Gemeinde und der gesamten Region.

Trends & Themen | kontakt VSE Weitere Infos: www.rehlingen-siersburg.de 9 Warum ist es wichtig, in diesem Projekt einen verlässlichen Partner wie energis an der Seite zu haben? Und welche Erwartungshaltung hat die Gemeinde an die energis in diesem Projekt? Wir hätten auch die Möglichkeit gehabt, dieses Projekt mit anderen Unternehmen und mit Hilfe von Fördermitteln zu realisieren. Nach vielen Gesprächen haben wir uns jedoch entschieden, es mit energis umzusetzen. Unsere Erwartungshaltung an energis ist eine realistische Planung. Es bringt den Bürgerinnen und Bürgern wenig, wenn man eine Planung hat, die zwar ideal klingt, aber in der Praxis nie umsetzbar ist. Mit energis haben wir einen Partner, der das Netz und die Möglichkeiten genau kennt. Diese Kombination und die langjährige, vertrauensvolle Zusammenarbeit könnte dieses Projekt einzigartig im Land und möglicherweise in ganz Deutschland machen. Welche Bedeutung hat dieses Projekt aus Ihrer Sicht für die langfristige Wärmeversorgung der Gemeinde selbst, aber auch für die gesamte Region? Ich hoffe, dass dieses Projekt und die daraus gewonnenen Erfahrungen teilweise auf andere Gemeinden übertragen werden können. Ziel ist es, auch dort realistisch zu planen und nicht nur nach den einfachsten Lösungen für Planungsbüros oder nach unrealistischen Wunschvorstellungen vorzugehen. Die Menschen brauchen realistische Planungen, die auch von den Netzbetreibern umgesetzt werden können. Für die langfristige Wärmeversorgung der Gemeinde selbst und für die gesamte Region hat dieses Projekt daher eine große Bedeutung. Es könnte als Modell dienen und dazu beitragen, dass die Wärmeversorgung nachhaltig und effizient gestaltet wird. Wie wird die Gemeinde Rehlingen-Siersburg im Rahmen dieses Projekts die gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen nutzen, um auch anderen Kommunen bei der Umsetzung zu unterstützen? Viele Kommunen stehen noch am Anfang und müssen warten, bis sie mit der kommunalen Wärmeplanung beginnen können. Durch die Haushaltssperre des Bundes sind die Fördermittel derzeit eingefroren. Nur diejenigen Kommunen, die sich bereits im letzten Jahr frühzeitig mit dem Thema befasst haben, arbeiten derzeit aktiv daran. Die Gemeinde Rehlingen-Siersburg wird ihre gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen wo immer es möglich ist nutzen, um anderen Kommunen bei der eigenen Umsetzung zu unterstützen. Wir planen, unsere Erkenntnisse in Workshops und Netzwerktreffen zu teilen, sodass auch andere Gemeinden von unseren Erfahrungen profitieren können. Es gibt bereits Nachfragen und Interesse von anderen Gemeinden, die gespannt darauf sind, von unseren Fortschritten und Lösungen zu lernen. Welche Erkenntnisse erhoffen Sie sich persönlich als Bürgermeister aus dem Projekt? Ich bin sehr gespannt darauf, welche Ergebnisse aus dieser Zusammenarbeit hervorgehen und wie sie sich im Vergleich zu Planungen in anderen Kommunen darstellen. Besonders optimistisch bin ich in Bezug auf die praxisnahe Herangehensweise, die wir gemeinsam mit energis entwickeln. Es wird interessant sein zu sehen, wie unsere realistischen Planungen im Vergleich zu den theoretischen Modellen anderer Gemeinden abschneiden. Welche konkreten Ziele wurden beim Kickoff Meeting des Projekts festgelegt, wie ist der Stand und wie sehen die nächsten Schritte aus? Das Projekt wurde wie geplant intern gestartet und Gemeinde und energis waren sich einig, dass wir die Bürgerinnen und Bürger auf diesem Weg direkt mitnehmen wollen. Deshalb haben wir uns für eine Bürgerversammlung schon zu Beginn des Projektstartes entschieden, um möglichst viel Transparenz in das Projekt zu bringen. Aber auch klarzumachen, was jeder Einzelne davon erwarten kann. Jetzt gerade läuft die Datenerhebung und -analyse. Nach den internen Prozessschritten soll dann wieder in einer Bürgerversammlung der Stand und die Ergebnisse präsentiert werden. Auf der Webseite der Gemeinde gibt es immer wieder neuste Informationen nachzulesen. Welche Erkenntnisse konnten Sie aus der Bürgerversammlung mitnehmen? Was beschäftigt die Bürgerinnen und Bürger am meisten bei dem Thema und wie kann man daran arbeiten im Projekt? Es gab spannende Diskussionen über das Projekt und auch über die aktuelle Situation auf dem Energiemarkt im Allgemeinen. In der Diskussion wurden aber auch Ideen entwickelt und viel über potenzielle Möglichkeiten gesprochen, die im Anschluss an das Konzept umgesetzt werden könnten. Dabei war es aber immer wichtig zu betonen, dass die Energiewende nicht allein von den Kommunen gestemmt werden kann. Nach der Konzepterstellung braucht es Investoren, Förderprogramme und auch die einzelnen Bürgerinnen und Bürger, die bereit sind zu investieren und neue Wege mitzugehen. Es wird also ein spannendes Projekt. Die Hauptarbeit kommt aber erst danach. Umso wichtiger ist es, Sachstände auf der Homepage zu veröffentlichen und in Bürgerversammlungen zu sensibilisieren, damit die Bürgerinnen und Bürger Zeit haben, sich auch selbst mit diesen Fragen auseinanderzusetzen. [sl] Bürgermeister von RehlingenSiersburg, Joshua Pawlak

10 VSE kontakt | Trends & Themen mischen Stromtarif hingegen richtet sich der Strompreis nach Angebot und Nachfrage auf dem Energiemarkt und kann demnach stündlich oder gar viertelstündlich variieren. Nach unten ebenso wie nach oben. Der jeweilige kWh-Preis hängt von zahlreichen Faktoren wie der momentanen Belastung des Stromnetzes, der Verfügbarkeit erneuerbarer Energien oder der Nachfrage am Markt ab. Ein dynamischer Tarif im Sinne des § 14a EnWG Nur Tarife, die sich eng (zumindest stundenaktuell) an den Spotmarktpreisen orientieren, sind dynamische Tarife im Sinne des § 41a EnWG. Damit zielt der Gesetzgeber darauf ab, dass Verbraucher ihre Lasten gerade auch innerhalb eines Tages auf Zeiten legen, in denen die Nachfrage gering ist oder erneuerbare Energien reichlich zur Verfügung stehen, was typischerweise zu Zeiten mit geringer Nutzung und/oder einem hohen Angebot der Fall ist. Genau dafür sollen dynamische Tarife die finanziellen Anreize schaffen. Der dynamische Stromtarif: Aus Pflicht wird Kür Vom 1. Januar 2025 an sind alle Energieversorger hierzulande gesetzlich verpflichtet, einen dynamischen Stromtarif anzubieten. Von dieser Initiative verspricht sich der Gesetzgeber eine Glättung jener „Unwucht“, die durch die zunehmende Einspeisung erneuerbarer Energien in unseren Stromnetzen kontinuierlich größere Probleme bei der Netzregulierung verursacht. Abrechnung – erheblicher Mehraufwand für die Stadtwerke Bislang ermitteln die Stadtwerke die Bedarfe ihrer Kunden über die Zählerstände. Sie multiplizieren die verbrauchte Strommenge – die Differenz zwischen zwei Ablesungen – mit dem Festpreis und erhalten den Rechnungsbetrag. Bei den dynamischen Stromtarifen hingegen ist die Vorgabe, zunächst stundenaktuelle Verbrauchswerte über ein intelligentes Messsystem zu erfassen. Das setzt zwingend eine funktionierende Übertragung extrem hoher Datenmengen voraus. Anschließend muss jeder für eine Stunde erfasste Wert – das heißt 24 Rechenschritte und 24 Werte pro Tag – mit dem zeitlich korrespondierenden Preis an der Börse multipliziert werden. Für diese Anforderungen sind die aktuellen Abrechnungssysteme der Betriebe noch nicht ausgelegt, sodass die Ermittlung händisch oder mit Hilfe eines Dienstleisters erfolgen muss. Geplant ist zudem, Ende des ersten Quartals 2025 die Schlagzahl sogar auf viertelstündlich zu erhöhen, was bedeutet, dass von diesem Zeitpunkt an 96 Rechenschritte Daher sollen für Verbraucher neue Anreize geschaffen werden, Strom dann zu verbrauchen, wenn das Angebot an Erneuerbaren hoch ist. Im Gegenzug haben Nutzer dynamischer Stromtarife, wenn spezielle Voraussetzungen erfüllt sind, die Möglichkeit, bei ihrer Stromrechnung etwas Geld zu sparen. Regionale Energieversorger wie die Stadtwerke beschaffen Energie mit Vorläufen von bis zu drei Jahren. Auf dieser Grundlage, wohl wissend, welche Kosten seitens ihrer Vorlieferanten abgerechnet werden, sind sie in der Lage, ihre Festpreistarife langfristig abgesichert zu kalkulieren. Bei einem dyna-

11 Trends & Themen | kontakt VSE pro Tag und Kunde auf die Abrechnungsabteilungen zukommen. Technische Voraussetzungen bei Verbrauchern Kundenseitig ist, wer einen dynamischen Tarif im Sinne des § 41a EnWG nutzen will, um seine Stromrechnung zu optimieren, ein intelligentes Messsystem (iMSys) vonnöten. Also mehr als ein normaler digitaler Zähler, bei dem die Bilanzierung nach einem Standardlastprofil, z. B. dem Haushaltsprofil H0, erfolgt. Herkömmliche digitale Stromzähler zeigen üblicherweise nur den aktuellen Zählerstand an. Da die Abrechnung hier über das Standardlastprofil erfolgt, kann der Kunde nicht durch Änderung seines Lastverhaltens zu einer Optimierung seiner Stromkosten beitragen. Der einzige Vorteil (ggf. auch Nachteil) liegt darin, dass er das volatile Spotpreis-Niveau in Rechnung gestellt bekommt, anstatt einen vereinbarten Festpreis. Bei dynamischen Stromtarifen, die im Zusammenhang mit jenen herkömmlichen digitalen Stromzählern angeboten werden, handelt es sich demnach nicht um dynamische Tarife im Sinne des § 41a EnWG. Kunden, die sich für einen dynamischen Stromtarif entscheiden, brauchen über das intelligente Messsystem sowie geeignete steuerbare Verbraucher wie Waschmaschine, Trockner oder Geschirrspüler hinaus auch die korrekte Konfiguration beim Netzbetreiber – hier ist die Rede von sogenannten Tarifanwendungsfällen (TAF). Nur wenn diese Konstellation (hier TAF-7) gegeben ist, wird der Verbrauch auch tatsächlich stündlich so bilanziert, wie er bei dem entsprechenden Kunden anfällt. Und Bilanzierung ist in diesem Fall der entscheidende Faktor. Die TAF-7-Bilanzierung verschafft dem Netzbetreiber eine bessere Datengrundlage, um sein Netz trotz fluktuierender Einspeisung und eines nach dem Angebot an erneuerbaren Energien im Netz ausgerichteten preisgesteuerten Lastverhaltens stabil zu halten. Mit Hilfe von herkömmlichen digitalen Stromzählern hingegen erfolgt die Bilanzierung weiterhin mit einem Standardlastprofil und eine Netzlastoptimierung findet nicht statt. Vor dieser Kulisse wird deutlich, dass dynamische Stromtarife in besonderem Maße attraktiv respektive massentauglich werden können, wenn auch die Häuser der Verbraucher smarter werden. Wenn beispielsweise moderne „Home Energy Management Systems“ (HEMS) steuerbare Verbraucher miteinander verknüpfen und nach festgelegten Mustern automatisch im Sinne des Kunden steuern und optimieren, wenn ein kostengünstiger Zeitpunkt zum Wäschewaschen, zum Kochen oder Geschirrspülen ist. Auch dann, wenn Verbraucher beispielsweise über steuerbare Verbrauchseinrichtungen wie eine Wallbox für E-Fahrzeuge verfügen und den Ladevorgang nach dem Anschließen mit Hilfe eines automatisierten Preissignals steuern. Flexibilität des Kunden Auch ohne Optimierung des eigenen Lastverhaltens können Kunden mit einem dynamischen Stromtarif Geld sparen, wenn der Spotmarktpreis günstiger als ein Festpreistarif ist. Zusätzlich wirkt sich eine gewisse Flexibilität des Kunden positiv aus, das heißt, die Bereitschaft, seine „alten Gewohnheiten“, sein Verbrauchsverhalten an die Entwicklungen der Börsenpreise anzupassen. Ferner sollten Verbraucher Freude daran haben, aktiver in das Thema Energiewende einzusteigen, diese selbst mitzugestalten und obendrein noch die Möglichkeit zu haben, etwas Geld zu sparen. Auch sollte der Kunde seine Risiko-Affinität überprüfen. Das heißt, er ist gut beraten, im Vorfeld zu eruieren, wie er damit umgehen wird, wenn die Märkte in unsicheren Zeiten nervös werden und die Energiepreise wieder einmal nach oben ausbüxen. Für wen bietet sich ein dynamischer Stromtarif an? Wie der Markt, wie Verbraucher den dynamischen Stromtarif in Zukunft tatsächlich annehmen werden „steht derzeit noch in den Sternen“. Derweil gehen manche Experten davon aus, dass Kunden eines bestimmten Profils besonderes Interesse daran hegen dürften: neugierige, offene, eher Technik-affine Personen bereits mit eigener PV-Anlage auf dem Dach, bei denen der Wunsch nach Energie-Autarkie und -Transparenz stärker ist als jener, Kosten zu minimieren. Auch schätze dieser Typ Kunde das Bewusstsein, dass ein dynamischer Stromtarif großes Potenzial besitzt, die Digitalisierung der Stromnetze voranzutreiben. Eine Entwicklung, die neben der Dekarbonisierung und Dezentralisierung der Stromversorgung eine tragende Säule der Energiewende ist. Ebenfalls gute Voraussetzungen für einen dynamischen Tarif bringt eine Person mit, die im Normalfall tagsüber ihren Strom verbraucht, keine PV-Anlage besitzt und im Sommer, z. B. für eine Klimaanlage, noch etwas mehr Strom benötigt als im Winter. Besitzer von PV-Anlagen mit Eigenverbrauch beziehen von vornherein weniger Strom aus dem Netz und verringern damit automatisch das Optimierungspotenzial eines dynamischen Stromtarifs. Bleibt die Frage, ob der Verbraucher bereit ist, sich auf Dauer aktiv und intensiv mit einem solchen Tarifmodell auseinanderzusetzen. Und selbst dann gibt es immer noch keine Garantie, dass der Kunde am Ende günstiger wegkommt. Die Risiken Der dynamische Stromtarif bietet die Möglichkeit, Geld zu sparen, birgt aber gleichzeitig auch die Gefahr, hohe Stromkosten stemmen zu müssen, wenn sich Verbräuche zeitlich nicht verschieben lassen und der Spotpreis gerade hoch ist. Der Kunde sollte in seine Entscheidung miteinbeziehen, dass er mit einem dynamischen Stromtarif jene Preissicherheit abgibt, wie sie etwa von Festpreistarifen ausgeht – zumindest was den Energiekostenanteil angeht. Stadtwerke – aus der Pflicht eine Kür machen In letzter Konsequenz darf ein dynamischer Stromtarif nicht am Menschen vorbeigehen. Er sollte den Verbraucher weder gängeln noch einschränken, sondern sein Leben komfortabler und einfacher machen. Mit dem dynamischen Stromtarif hat der Gesetzgeber die Stadt- und Gemeindewerke vor große Herausforderungen gestellt. Letztere nehmen diese an und werden alles daransetzen, das Beste im Sinne ihrer Kunden daraus zu machen. Es hat die Stadtwerke immer schon ausgemacht, dass sie Partner der Menschen in ihrer Region waren und dies auch in Zukunft sein werden. Die Gesellschaft verändert sich rasant und die Energiewirtschaft tut dies auch. Diesem Umstand werden auch die Stadtwerke Rechnung tragen und kontinuierlich Produkte und Dienstleistungen anbieten, die nah am Menschen sind und deren Bedürfnisse abbilden. Aktuell sind Nachhaltigkeit und Digitalisierung die Themen, die die Menschen umtreiben. Die Stadtwerke werden ihrer Pflicht folgend einen dynamischen Stromtarif anbieten. Diesen aber zu verlässlichen Konditionen, die ihren Kunden sowohl einen echten Mehrwert als auch die Möglichkeit bieten, ihre Entscheidungen jederzeit ohne Druck und rundum gut beraten treffen zu können. Ein dynamischer Stromtarif für Haushaltskunden ist für alle Akteure neu. Demnach muss ein solches Angebot in seinen Anfängen beiden Seiten, Kunden wie Versorgern, eine gewisse Flexibilität einräumen. Quasi Raum für Versuch, Irrtum und Lernen. [tj.] Weitere Infos: dennis.reichert@energis.de

VSE kontakt | Trends & Themen Von der Last der Energiewende Mehr Klartext gefordert! 12 Und doch rumort es hinter den Kulissen. Schleppender Netzausbau, zu geringe Speicherkapazitäten, zu viel ungenutzter Sonnenstrom im Netz, steigende Preise, überbordende Bürokratie und jede Menge Proteste gegen neue Stromleitungen, Verspargelung der Landschaft durch Windkraftanlagen oder Flächenverbrauch durch Solaranlagen. Von der Wärme- und Verkehrswende ganz zu schweigen. Knipsen die Menschen in Deutschland der dringend benötigten Energiewende selbst das Licht aus? Die Komplexität der grünen Transformation scheint immer mehr Menschen in diesem Land zu überfordern und die Sehnsucht nach den guten alten Zeiten zu befeuern. Dieses Stimmungstief in der krisengebeutelten deutschen Bevölkerung machen sich vor allem die Populisten zu Nutze mit einfachen Antworten auf komplizierte Zusammenhänge. Ungeachtet der immer häufiger auftretenden Klimakatastrophen wie Überflutungen, anhaltende Dürre oder Stürme auch hierzulande propagieren sowohl rechts- als auch linkspopulistische Parteien die Rückkehr zu Kohle, billigem Gas aus Russland oder Atomkraft. Kein Zurück Aber ein Zurück wird es nicht geben, der Klimawandel schreitet immer schneller voran, die grüne Transformation und damit die Energiewende sind gesetzt. Eine der Kernfragen neben der Finanzierung ist es, wie die Menschen auf diesem Weg mitgenommen und besser eingebunden werden können. Damit beschäftigte sich der Energiekongress des IZES im September in Saarbrücken. Das IZES Institut für ZukunftsEnergie- und Stoffstromsysteme, das in diesem Jahr sein 25-jähriges Jubiläum feierte, hatte dazu Fachleute aus Politik, Energiewirtschaft und Forschung ins Saarbrücker Schloss eingeladen. In seiner Begrüßung erläuterte Wirtschafts- und Energieminister Jürgen Barke die immensen technologischen und finanziellen Herausforderungen der grünen Transformation im Saarland, verwies gleichzeitig auf die Chancen für die Saarwirtschaft. „Die Investition in die CO2-freie Produktion bei Saarstahl ist eine Investition in Klimaschutz und Sicherheit der Arbeitsplätze.“ Das Saarland habe gute Voraussetzungen, eine Drehscheibe für Wasserstoff in der Großregion zu werden. Der Anfang sei gemacht. Acht Terawattstunden Strom allein für die grüne Stahlproduktion und noch einmal so viel Strom für die anderen Industriezweige im Saarland, 600 Milliarden Euro Investitionen allein in die Übertragungsnetze in Deutschland seien gigantische Summen, die der Markt alleine nicht regeln könne. „Wir dürfen die Unternehmen und Menschen bei der Transformation nicht überfordern“, so sein klares Credo. Carolin Schenuit, online zugeschaltete Vorständin beim Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft in Berlin, forderte von den politisch Verantwortlichen mehr Klartext zu reden, um die Sinnhaftigkeit der Energiewende verständlich zu erklären. „Wir brauchen eine bessere und konkrete Kommunikation in der Breite und schnellere Ergebnisse, damit die Menschen mitmachen.“ Frühzeitige Einbindung der betroffenen Menschen bei Genehmigungsverfahren, Bürgerkontakte, transparente und regelmäßige Kommunikation oder die Beteiligung der Menschen an Energieprojekten wie Energiegenossenschaften seien geeignete Mittel, um die Bürgerinnen und Bürger zu gewinnen oder zumindest Verständnis für die grüne Transformation bei ihnen zu erzeugen. Jede Menge Beispiele möglicher Bürgerbeteiligungen hatte Fabian Reidinger, Leiter der Stabsstelle Zivilgesellschaft und Beteiligung in Baden-Württemberg, mitgebracht. Die Lernkurve aus dem Konflikt-Projekt Stuttgart 21 sei enorm und hätte deutlich gemacht, dass Projekte am Willen der Bürger vorbei keine Chancen zur regulären Umsetzung hätten. „Die Energiewende wird nicht ohne die Menschen gelingen. Im Gegenteil: Die Bürgerbeteiligung ist eine Investition in die Zukunft und eine Stärkung der Demokratie.“ Die Ansiedlung der Batteriefirma cellcentric in Weilheim/ Teck sei nur deshalb erfolgreich Der Blick auf die Zahlen macht erst einmal Mut: Balkon-Kraftwerke und Photovoltaikanlagen auf Hausdächern boomen, die Flaute beim Zubau an Windkraftanlagen scheint überwunden, neue Anwendungen und Technologien in der Solarenergie kommen auf den Markt, rund 60 Prozent des erzeugten Stroms in Deutschland stammt mittlerweile aus regenerativen Energiequellen. Das Erreichen des 80 Prozent Ziels bis 2030 rückt in realistische Nähe. Berit Müller, Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie e.V. Dr. Simone Peter, Bundesverband Erneuerbarer Energien e.V. Fabian Reidinger, Staatsministerium Baden-Württemberg

Trends & Themen | kontakt VSE Weitere Infos: www.izes.de 13 verlaufen, weil die Anwohner von Anfang an transparent und fair eingebunden gewesen seien. Der Nutzen für die Bürgerinnen und Bürger, die Politik und Verwaltung und den Vorhabenträger seien deutlich zum Tragen gekommen. Der vertrauliche Umgang habe darüber hinaus die Demokratie gestärkt, ist sich Reidinger sicher. Neues Marktdesign gefordert So nötig die Energiewende ist, so komplex ist die Umsetzung. Wie sollen Laien verstehen, dass die Politik vehement den Ausbau der Erneuerbaren Energien verlangt, aber der zu viel erzeugte Solarstrom einfach abgeregelt wird, sprich ungenutzt verpufft. Wie kann es sein, dass der Börsenpreis sinkt bei zu viel Strom aus Erneuerbaren im Netz, aber der Strompreis für die Haushalte trotzdem steigt. „Wir brauchen mehr Flexibilität im Netz und ein neues Marktdesign“, fordert die Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energie, Dr. Simone Peter. „Die Erneuerbaren Energien sind im Markt längst angekommen und kompensieren zunehmend Strom aus Kohle und Atom. Schnellerer Netzausbau, mehr Speicherkapazitäten, verstärkte Sektorkopplung und grüne Wasserstoffproduktion sorgen für eine bessere Nutzung des überschüssigen Stroms im Netz.“ Dass sich allen Unkenrufen zum Trotz in Deutschland in der Forschung und Entwicklung neuer Anwendungsmöglichkeiten der Photovoltaik einiges tut, zeigte Berit Müller von der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie auf. Dazu gehören bauwerkintegrierte Photovoltaik als Sicht-, Schallschutz oder Dämmung, Kombiprodukte von Photovoltaik und Solarthermie oder in Verbindung mit Wärmepumpen oder die lange Liste der Agri-Photovoltaik, sprich Anwendung in der Landwirtschaft. Unterschiedliche Erfahrungen in der Projektumsetzung haben Prof. Dr. Ingo Sass vom Geoforschungszentrum Potsdam und Janina Heidl vom Übertragungsnetzbetreiber Amprion in Dortmund gemacht. Trotz der vielen Vorteile, die beispielsweise tiefe Geothermie dem Standort Deutschland in puncto Unabhängigkeit bietet, sind die Projekte hierzulande überschaubar. „25 Prozent des Wärmeverbrauchs in Deutschland pro Jahr könnten allein mit tiefer Geothermie gedeckt werden. Technologisch ist das möglich, aber die Diskussion um das „toxische“ Fracking hat den Ruf von Geothermie in Deutschland vollends zerstört.“ Die Konsequenz: Es gebe kein Fachpersonal, kaum Ausbildung, keine Strukturen, keine Genehmigungsverfahren und kaum Akzeptanz. „Wir müssen zurück zu einer faktenbasierten Diskussion“, appellierte Ingo Sass. Selbst das Saarland verfüge über geeignete Möglichkeiten wie Grubenwassernutzung oder Speichermöglichkeiten für Wasser wegen des Bergbaus. Und die Frage müsse erlaubt sein, wer künftig in die Fernwärmeschiene Saar einspeisen könne. Die Geothermie gehöre schon aufgrund ihrer Verfügbarkeit und Bedeutung auf die politische Agenda. Janina Heidl von Amprion sieht sich mit ähnlichen Akzeptanzproblemen beim dringend benötigten Netzausbau konfrontiert, kann aber auf Erfolge verweisen. Dass der Ausbau der Stromnetze zum Gelingen der Energiewende notwendig sei, darüber herrsche allgemeiner Konsens selbst bei Projektgegnern. „Es geht heute beim Netzausbau vielmehr um die Frage, wie wir das umsetzen, ob beispielsweise mit Freileitung oder Erdkabel oder ob Leitungen samt Masten woanders verlaufen können. Handlungsoptionen zu haben, ist das A und O in der Kommunikation.“ Zwar könne in der Praxis kein Konsens mit allen Beteiligten erzielt werden, dafür aber die Akzeptanz des Projekts. Heidl plädiert für eine frühzeitige Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger im Rahmen von Genehmigungsverfahren, betont aber auch die Herausforderungen wie sich ändernde Rahmenbedingungen, Mehrfachbetroffenheit der Menschen, Zeitmangel aufgrund verkürzter Verfahren und zunehmend mehr Projekten. „Wir brauchen in der Diskussion das Verständnis füreinander.“ Kommunikationsstrategie der Bundesregierung nicht erkennbar Der aus Berlin zugeschaltete Journalist Uli Hauck aus dem ARD Hauptstadtstudio gibt den Medien eine gewisse Mitschuld an der aktuellen Entwicklung, wenn beispielsweise in Talkshows Menschen, die Probleme bewusst leugnen, ein medialer Raum geboten werde. Er betont aber auch die Herausforderung für den Journalismus im Umgang mit Politikern wie Donald Trump, die Fakten ignorieren oder absichtlich verdrehen. Neben einer gewissen Nachrichtenmüdigkeit aufgrund der zahlreichen Krisen und den vielen Bedrohungsszenarien sieht Hauck dennoch eine Mehrheit pro Klimaschutz in Deutschland. Allerdings fehle der Bundesregierung eine Kommunikationsstrategie bei der Energiewende, eine positive Erzählung, die den Menschen mitnimmt und eine Verbindung zur Lebenswelt der Menschen schafft. Die Kommunikation zum Heizungsgesetz aus dem Bundeswirtschaftsministerium sei auf jeden Fall das fatale Gegenteil gewesen. [nea] Janina Heidl, Amprion GmbH Prof. Dr. Ingo Sass, Geoforschungszentrum Potsdam Wirtschaftsminister Jürgen Barke und Prof. Frank Baur, IZES gGmbH

14 VSE kontakt | Trends & Themen Hambach bei Sarreguemines sowie der langfristig angelegte Umbau der Chemie-Plattform Carling-St. Avold zu einer Eco-Plattform für Wasserstofferzeugung, Batterietechniken und Biomassenutzung. Größtes verbliebenes Kohlekraftwerk wird grün Das weitläufige ca. 600 Hektar große Gelände des Industrieparks bei Carling-St. Avold erinnert ein wenig an altehrwürdige Industrielandschaften im Ruhrgebiet oder in Ostdeutschland kurz nach der Wende. Kernstück auf der Chemie-Plattform ist das Kohlekraftwerk Emile Huchet, das den angesiedelten Industrieunternehmen über Jahrzehnte hinweg Strom, Wärme und Dampf zur Verfügung stellte. Mit den beiden Kraftwerksblöcken war es viele Jahre die größte thermische Stromerzeugungseinheit Europas. Das einzige verbliebene Kohlekraftwerk Frankreichs hat schon bessere Zeiten erlebt, mehrmals den Besitzer gewechselt von der lothringischen Bergwerksgesellschaft HBL in der Blütezeit über den deutschen E.ON-Konzern und Uniper bis hin zu GazelEnergie, die heute zum tschechischen Energiekonzern EPH gehört. Als vor fünf Jahren GazelEnergie das Kraftwerk mit dem ca. 100 Hektar großen Gelände übernahm, erlebte der Standort mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine zwischenzeitlich eine Renaissance, denn das „eingemottete“ Kohlekraftwerk mit einer Leistung von 600 Megawatt wurde für die Sicherstellung der Stromversorgung in Frankreich dringend benötigt. Gründe waren u. a. Atomkraftwerke in Revision oder Dunkelflauten bei Sonne und Wind. Heute steht das Kraftwerk mehr oder weniger wieder im Stand-by-Modus und darf nur zu Spitzenzeiten ca. 700 Stunden pro Jahr betrieben werden. So will es das französische Energiegesetz. Doch GazelEnergie habe perspektivisch anderes vor am Standort, wie Geschäftsführer Antonin Arnoux vor Ort erläutert. „Wir unterstützen die Dekarbonisierung der Produktionsprozesse der Industrie und liefern Strom, Wärme und Kälte sowie Wasserstoff direkt erzeugt am Standort Bei Frankreichs Energieversorgung denkt man unweigerlich an Atomkraft, an den staatlichen Energiegiganten EdF, an eine geringe regenerative Energieerzeugung und an wenig Proteste aus der Bevölkerung gegen die Energiepolitik. Doch die Zeiten haben sich geändert: Zwar setzt Frankreich weiterhin auf Atomkraft, hat diese Energie sogar von der EU als grün einstufen lassen, da kein klimaschädliches CO2 entsteht, aber die Dekarbonisierung der Industrie, sprich die grüne Transformation, E-Mobilität und Ausbau der Erneuerbaren stehen bei unseren französischen Nachbarn ebenfalls auf der Agenda. Im Mittelpunkt: eine strategisch ausgerichtete Industrie- und Energiepolitik, die heimische Unternehmen günstig mit Energie versorgt, die unabhängiger von Asien machen und die grüne Transformation voranbringen soll. Frankreich wird wohl trotz der politischen Unwägbarkeiten im Land diesen Kurs auch in Zukunft fortsetzen. Zwei große Projekte direkt an der Grenze zum Saarland machen das deutlich: Die Ansiedlung des Solarzellenherstellers Holosolis in Blick zu unseren französischen Nachbarn „Grüner“ Neustart hinter der Grenze

Trends & Themen | kontakt VSE 15 Emile Huchet. Und das auch grenzüberschreitend.“ Mit Investitionen in dreistelliger Millionenhöhe schiebt das Unternehmen zukunftsweisende Innovationen an und ist als Produzent von grünem Wasserstoff wichtiger Akteur des grenzüberschreitenden transnationalen Projekts MosaHYc. In zwei Etappen entstehen jeweils zwei Elektrolyseure mit jeweils 200 Megawatt Leistung für insgesamt 780 Millionen Euro; 200 direkte und 400 indirekte Arbeitsplätze sollen geschaffen werden. „Seitdem Saarstahl als Abnehmer von Wasserstoff über eine Direktanbindung an MosaHYc grünes Licht für die finanzielle Förderung aus Berlin erhalten hat, haben auch wir Planungssicherheit“, betont Antonin Arnoux. Die Bauarbeiten für die Wasserstoffzukunft ab 2028 haben bereits begonnen. Natürlich werde die erzeugte Menge von Emile Hy für Saarstahl allein nicht reichen, aber die Einbettung ins europäische Verbundnetz sowie zusätzliche Einspeiser machen das möglich. Arnoux träumt bereits von einer Anbindung und Versorgung weiterer Industriestandorte in Ostfrankreich mit Wasserstoff. Die Zukunft ist grün und so befindet sich ein weiteres Großprojekt seit 2023 in der Umsetzung. In 24 Containern speichern Batterien mit 35 Megawatt Leistung rund 44 Megawattstunden Strom. Im Oktober dieses Jahres soll das Projekt startklar sein. Es ist eines der größten Batterieprojekte in Frankreich. Ein Biomasse-Heizkraftwerk mit knapp 20 Megawatt installierter Leistung soll künftig grün erzeugten Dampf für die auf der Chemieplattform angesiedelten Unternehmen liefern, u. a. auch für den zukünftigen Betreiber der PET-Recycling-Anlage. Rund 30.000 Tonnen klimaschädliches CO2 könnten pro Jahr vermieden werden. Versuche, Kohle und Biomasse zu jeweils 50 Prozent gemischt im Kraftwerk zu verbrennen, sind vielversprechend und tragen sukzessive zur Dekarbonisierung bei. Größte Solarzellenproduktion Europas kommt ins grenznahe Hambach In Hambach bei Sarreguemines soll ab 2026 die größte Solarzellenfabrik Europas an den Start gehen. Ohne chinesische Beteiligung und ganz im Sinne der angestrebten europäischen Energie-Unabhängigkeit. Holosolis, ein Konsortium aus mehreren europäischen Unternehmen mit Sitz in Grenoble, will rund 1.900 Arbeitsplätze schaffen und investiert dafür mehr als 800 Millionen Euro. In Hambach sollen pro Jahr rund zehn Millionen Solarpanels mit einer Leistung von fünf Gigawatt produziert werden. Dass ausgerechnet Hambach den Zuschlag bekam, hat verschiedene Gründe. Denn das Gelände von ca. 55 Hektar inklusive einer möglichen Erweiterung ist komplett erschlossen mit Strom, Gas, Wasser, Abwasser und Glasfaser, logistisch sehr gut erreichbar und von den angrenzenden Kommunen samt Bürgerinnen und Bürgern akzeptiert. Die Verträge zum Verkauf des Terrains sind unterzeichnet; der Bauantrag ist genehmigt und der Baubeginn ist im kommenden Jahr geplant. Die ersten Solarzellen sollen im Laufe des Jahres 2026 produziert werden. Zugegebenermaßen gab es aber auch für dieses Gelände gegenüber dem ehemaligen Smartwerk, wo heute der Geländewagen Grenadier von INEOS gebaut wird, eine lange Vorlaufzeit. Schon vor 20 Jahren scheiterte der Bau eines Gaskraftwerks. Zu wenig zukunftsorientiert und nicht ökologisch, negative Auswirkungen auf die Gesundheit und eben kein schöner Anblick waren vielfach gehörte Argumente. Und auch die Ansiedlung des norwegischen Solarzellen-Unternehmens REC Solar kam nach langen Verhandlungen nicht zustande. Der Verkauf des Unternehmens an Indien und die daraus resultierende zögerliche Haltung für eine Solarzellenfabrik in Europa waren letztendlich ausschlaggebend für das Aus. Umso erfreulicher die schnelle Entscheidung von Holosolis, sich dort anzusiedeln. „Das Saarland kann von der Ansiedlung ebenfalls profitieren“, erklärt Marc Zingraff, Bürgermeister von Sarreguemines. „Denn es sollen im Endausbau 1.900 Arbeitsplätze entstehen, Zulieferer werden von der zwei Jahre dauernden Baustelle Aufträge generieren, neue Firmen drum herum könnten sich entwickeln und irgendwo muss das Personal, das zu uns kommt, wohnen und leben. Die Vorteile überwiegen ganz klar und davon profitiert die gesamte Region und zwar grenzüberschreitend“. [nea] Antonin Arnoux,Geschäftsführer GazelEnergie Marc Zingra f, Bürgermeister von Sarreguemines

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