kontakt 03/2022

Weitere Infos: benedikt.kessler@ energis-netzgesellschaft.de forderung das für uns bedeutet. Was meinen Sie mit „gemeinschaftliche Kraftanstrengung“ und wer sind die beteiligten Akteurinnen und Akteure? Jeder, der ein Stromnetz betreibt, und jeder, der ein Stromnetz nutzt, ist hier ein beteiligter Akteur oder Akteurin. Dazu kommen die Eigentümerinnen und Eigentümer und – ganz wichtig – die Konzessionsgeber, also dieKommunen. Geradebei denNetznutzern, also den Kundinnen und Kunden, sind wir darauf angewiesen, dass sich hier ein sozialer Gedanke langfristig durchsetzt. Wenn sich alle so verhalten, dass nur die wirklich benötigte Leistung von uns eingefordert wird, glaube ich daran, dass wir die Transformation schaffen werden. Kernfrage für uns als Netzbetreiber ist nämlich die gleichzeitig benötigte Leistung in kW und nicht die Energiemenge in kWh. Wenn jeder für sich alleine das jeweils mögliche Maximum erwartet, um z. B. sein Elektrofahrzeug in kürzestmöglicher Zeit aufladen zu können, werden wir die Energiewende so nicht stemmen können. Darüber hinaus ist es sehrwichtig, dasswir dieohnehin schongute Zusammenarbeit mit den Kommunen noch intensiver gestalten und gemeinsam der Bevölkerung die kommenden Notwendigkeiten erklären. Die Bürgerinnen undBürger müssen Verständnis dafür aufbringen, dass es zukünftig häufiger erforderlich werden kann, gleichzeitig an mehreren Stellen in einerOrtschaft Leitungsverlegemaßnahmen durchzuführen – auch wenn damit eine Beeinträchtigung des Verkehrsflusses verbunden sein wird. Insbesondere will ich hier auch noch das Thema Grundstücke und entsprechende Gestattungen ansprechen. Wir können den notwendigen Netzausbau nur umsetzen, wenn uns auch die hierzu erforderlichenGrundstücke– insbesondere für Transformatorenstationen – zur Verfügung gestellt werden. Hier hoffen wir auf eine breiteUnterstützungdurchdie kommunalen aber auch die privaten Eigentümerinnen und Eigentümer. Wie kann die eingeleitete Smartifizierung der Netze in dieser Frage unterstützend wirken? Die Ausrüstung unseres Stromverteilungsnetzes mit digitalen Ortsnetzstationenwird uns in die Lage versetzen, einen besseren Herr Fixemer, was hat Sie als Verantwortlichen bewogen, eine Untersuchung in Auftrag zu geben, die die Auswirkungen der politischen Klimaziele 2030 der amtierenden Regierungskoalition auf die Verteilernetzbetreiber analysiert? Die Antwort ist recht einfach: Wir wussten bereits im Vorfeld, dass im Falle einer Realisierung der beschriebenen Klimaziele die Verteilernetzbetreiber enorme Anstrengungen zur Erreichung dieser Ziele unternehmen müssen. Damit wir uns frühzeitig auf diese herausfordernde Aufgabe vorbereiten können, bedarf es detaillierterer Zahlen, umzuerkennen, in welcher Form und an welcher Stelle genau uns mögliche Netzengpässe drohen. Daswolltenwir herausfindenundhabennun die Ergebnisse vorliegen. Welche drei wesentlichen Erkenntnisse konnten Sie aus der Untersuchung für sich mitnehmen? Lassen Sie mich kurz nachdenken, es sind nämlich eine ganze Reihe von Ergebnissen vorhanden, die wichtig für uns und unsere Planungen sind. Aber wenn Sie so fragen, würde ich zuerst die tatsächlichen Zahlen zumAusbaubedarf der Stromnetze nennen. Dann den beträchtlichen Kapitalbedarf und als dritte, aber umso wichtigere Erkenntnis, dass die Ziele nur in einer gemeinsamen Kraftanstrengung aller beteiligten Akteure zu stemmen sind. In welcher Größenordnung wird denn der Bedarf des Netzausbaus liegen? Es hat sich gezeigt, dasswir in einer Größenordnung von etwa 20 Prozent des derzeit bestehenden Leitungsnetzes entweder Leitungen verstärken oder neu bauen müssen. Dazu kommt, dasswir etwa ein Drittel der in Betrieb stehenden Ortsnetzstationen aufrüsten oder sogar Neubauten beauftragen müssen. Wenn Sie nun berücksichtigen, dass das bestehende Netz über 100 Jahre gebraucht hat, die Ausdehnung und Leistungsfähigkeit zu erreichen, welche wir alle kennen und schätzen, können Sie sich vorstellen, welchen Kraftakt dieser Netzausbau innerhalb von nur acht Jahren mit sich bringen wird. Und deshalb wird so viel Kapital benötigt? Genau. Wir als Netzbetreiber müssen diese Investitionen erst einmal selbst vorfinanzieren. Dawir hier für beideNetzgesellschaften in Summe über alle geplanten Baumaßnahmen über mehrere Hundert Millionen Euro sprechen, wird deutlich, welche HerausÜberblick über den tatsächlichen Belastungszustand der Mittel- und Niederspannungsnetze zu bekommen. Für den Bereich der Netzplanung bedeutet dies, dass wir drohendeNetzengpässe frühzeitig erkennen und so gezielte Verstärkungsmaßnahmen einleiten können. Das wird uns auch helfen, den Einsatz der Investitionsmittel bestmöglich zu allokieren. Das digitalisierte Netz ist auch Voraussetzung für eine Optimierung der Betriebsführung: Die Fehlersuche im Störungsfall und damit auch dieDauermöglicher Stromunterbrechungen werden sich reduzieren. Schließlich ist eine Steuerung der Einspeiserinnen und Einspeiser sowie der Verbraucherinnen und Verbraucher zum Zwecke einer Vergleichmäßigung der Netzauslastung nur möglich, wenn uns die hierzu benötigten Messwerte, u. a. aus den Ortsnetzstationen, zur Verfügung stehen. All dies wird dazu beitragen, den aufgrund der Klimaziele der Bundesregierung erforderlichen Netzausbau auf das technisch unbedingt notwendige und wirtschaftlich tragbare Maß zu beschränken. Wie wirken sich Ihrer Meinung nach die aktuellen weltpolitischen und wirtschaftlichen Ereignisse aus? Hier fällt meine Einschätzung sehr ambivalent aus. Der Ukraine-Konflikt und die dadurch ausgelöste Energiekrise werden einen starkenDruckdarauf ausüben, dass die Klimaziele schnell erreicht werden müssen. Gleichzeitig wirken sie jedoch gemeinsam mit denAusläufernder Corona-Krise undder aktuellen Inflationauf diegesamte Lieferkette, auf die wir als Netzbetreiber angewiesen sind. Dies verlangsamt dienotwendigenAusbautenunderschwert dieFinanzierung. Über allemschwebt inzwischenauchderdrohende Fachkräftemangel, der inallenBereichenvon Wirtschaft und Gesellschaft zu Problemen führen wird. Daher würde ich abschließend sagen, dass wir in den nächsten ein, zwei, vielleicht auch drei Jahren eine gewisse Verzögerung in der Zielerreichung erwarten können. Danach jedoch wird sicherlich ein starker Anstieg einsetzen, der nur durch den beschriebenen Mangel an Fachkräften gebremst wird. 31 Netze | kontakt VSE

RkJQdWJsaXNoZXIy NTg2OTg=