KONTAKT hat bei Dr. Hanno Dornseifer nachgefragt, ob die Klimaziele bis 2030 tatsächlich zu erreichen sind und was wir dafür tun müssen. Der Bankkaufmann und promovierte Jurist Dornseifer ist Vorsitzender des Verbands der Energie- und Wasserwirtschaft des Saarlandes VEWSaar e. V., Mitglied des Vorstands der VSE AG, Präsident der IHK Saarland und Saarlandbotschafter. Herr Dr. Dornseifer, bis 2030 rund 80 % Strom aus Erneuerbaren Energien, Atom- und Kohleausstieg besiegelt, das ist schon eine Hausnummer. Was heißt das für die Sicherheit der Stromversorgung in Deutschland? Wir brauchen mehr Begeisterung für die Energiewende und wir müssen unser Ausbautempo mindestens verdoppeln, sonst sind die vorgegebenen Klimaziele bis 2030 schwerlich zu erreichen. Wenn wir 80 Prozent unseres Bruttostromverbrauchs - das waren nach Angaben des Branchenverbands BDEW in Deutschland 520 Milliarden Kilowattstunden (kWh) im Jahr 2023 - aus Erneuerbaren Energien decken wollen, sind 360 Gigawatt (GW) installierte Leistung notwendig. Anders ausgedrückt: 215 GW aus Photovoltaik, 30 GW aus Wind offshore und 115 GW Wind onshore. Wir haben in den letzten 25 Jahren beim Ausbau im Durchschnitt jedes Jahr 2,2 Prozent regenerative Erzeugungskapazitäten installiert. Jetzt kommt hinzu, dass der Bruttostromverbrauch in Deutschland aufgrund der zunehmenden Elektrifizierung wie E-Mobilität mit 15 Millionen E-Fahrzeugen, 6 Millionen Wärmepumpen, Rechenzentren, 10 GW Elektrolyse-Leistung zur Wasserstoffherstellung usw. auf ca. 750 Milliarden kWh bis 2030 steigen wird. Wir müssten die Zubaugeschwindigkeit auf mindestens 4,5 Prozent pro Jahr erhöhen. 80 Prozent Erneuerbare beziehen sich 2030 schließlich auf 750 Milliarden kWh Stromverbrauch. Das sind nur die reinen Zahlen und wir haben unsere Zubauziele schon 2022 und 2023 verfehlt. Die Klimaziele Deutschlands sind ehrgeizig: Bis 2030 sollen 65 Prozent CO2 gegenüber 1990 eingespart werden und 80 Prozent des Bruttostromverbrauchs sollen aus regenerativer Energieerzeugung stammen. Eine gigantische Kraftanstrengung und das wohl größte Investitionsprogramm seit Bestehen der Bundesrepublik mit 600 Milliarden Euro wären vonnöten. Wir schaffen das, sagen die kühnsten Optimisten. Wir schaffen das nicht, die Pessimisten. Wir sind auf dem richtigen Weg, die Realisten. Wie soll das innerhalb von sechs Jahren gelingen, wenn schon die Genehmigungen zum Beispiel für eine Windkraftanlage teilweise länger dauern? Ein Ding der Unmöglichkeit. Die Herausforderungen sind riesig. Um einmal die genannten Zahlen ins richtige Verhältnis zu setzen: Die Erneuerbaren Energien haben letztes Jahr ca. 20 Prozent zum gesamten Primärenergieverbrauch in Deutschland beigetragen. Die Wärme- und Verkehrswende sind daher noch gar nicht berücksichtigt, wenn wir von der Energiewende sprechen. Trotzdem: die Klimaziele sind Primat der Politik und damit gesetzt. Es gibt verschiedene Stellschrauben, um zumindest auf dem Weg zur Klimaneutralität – 65 Prozent weniger CO2 bis 2030 und 100 Prozent bis 2045 – schneller voranzukommen. Wichtig ist, die Menschen dabei mitzunehmen, sie nicht zu überfordern, sondern sie von der Sinnhaftigkeit der Energiewende zu überzeugen und sie zu motivieren mitzumachen. Ein kommunikatives Desaster wie beim Gebäudeenergiegesetz, bekannt als Heizungsgesetz, darf sich nicht wiederholen. Das hat nur verunsichert, so richtig und wichtig das Gesetz in seiner Absicht auch ist. Des Weiteren sollten wir uns von Kritikern und Pessimisten die Energiewende nicht kaputtreden lassen, selbst wenn wir nicht alle Ziele in der Kürze der Zeit so erreichen, wie die Politik sich das vorstellt. Wir brauchen auf jeden Fall schnellere Genehmigungsverfahren und vor allem mehr Flächen, sonst wird das nichts mit dem massiven Zubau an Photovoltaik und Windrädern. Ein Vorschlag wäre die Schaffung von Kompetenzzentren besetzt mit Ingenieuren und Verwaltungsfachleuten, die die Genehmigungsverfahren beschleunigen. Das wird inzwischen erkannt und diskutiert und selbst die Möglichkeiten der Rechtswege wurden eingeschränkt, um jahrelange Verfahren zu vermeiden. Strategie & Zukunft | kontakt VSE 19 Mehr Tempo bei Energiewende gefordert Der steinige Weg in Deutschland
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