kontakt 02/2022

„Zu wenig junge Menschen interessieren sich für eine Ausbildung im Handwerk. Dabei bietet gerade unsere Arbeit in der Steinbildhauerei, die sicherlich körperlich anstrengend ist, interessante und sichere Berufsperspektiven.“ Mehr Wertschätzung für das Handwerk gefordert Während Oliver Groll das Problem des Transfers von Einwanderinnen und Einwandern in den Arbeitsmarkt eher daran festmacht, dass es zu wenig „Kümmerer“ und keine systematische Vorgehensweise gibt, bereitet Bernd Reis vor allem die mangelnde Wertschätzung des Handwerks in der Gesellschaft Sorge. „Studieren ist nicht immer der Königsweg. Die Anforderungen im modernen Handwerk von heute sind enorm gestiegen, oftmals ist das Abitur sogar Zugangsvoraussetzung in der Berufsausbildung.“ Gleichzeitig warnte er davor, dass wegfallende Industriearbeitsplätze eins zu eins im Handwerk übernommen werden könnten. Es gebe viele Hürden wie Qualifikation und Einarbeitungszeit in Handwerksjobs, andere Arbeitszeiten sowie niedrigere Löhne. Naturgemäß anders sieht das Christophe Hocquet. „Der Unicampus in Saarbrücken mit rund 20.000 Studentinnen und Studenten, Forscherinnen und Forschern sowie wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus dem In- und Ausland bieten uns ein riesiges Rekrutierungspotenzial. Wir sind in Saarbrücken, weil wir Talente im Bereich der Künstlichen Intelligenz KI für unser Wachstum brauchen.“ Gefunden hat er Saarbrücken übrigens über Google bei der Eingabe des Begriffs KI, denn beispielsweise mit demDeutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz undweiteren namhaften Instituten mit Weltruf verfügt Saarbrücken über einen guten Ruf in der KI-Szene. Viele junge Menschen würden gerne im Saarlandbleiben. AllerdingsmüsstedasLand bei günstigemWohnraum, beimAusbau des ÖPNVund bei 5Gdeutlich zulegen. Ein altbekanntes Problem, denn viele gut ausgebildete Studierende verlassen das Land mangels Perspektiven. Oliver Groll sieht bei diesen Themenauchdie saarländischenKommunen inder Pflicht. „Aufgrunddesdemografischen Wandels haben wir die Themen Wohnraum und einfacheMobilität in den letzten Jahren zu sehr schleifen lassen.“ Ein Ärgernis sei oft die unzureichende digitale Infrastruktur, so Katja Hobler. „Wir haben viel Geld in die digitale Ausstattung unser Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesteckt und dann scheitert es auf unseren saarländischen Baustellen bereits am WLAN.“ Und Stella Pazzi beklagt, dass der Ausbau des schnellen Internets schon auf Landesebene viel zu langsam vorankomme und verweist auf das leidigeBürokratie-Thema. „BeimDigitalpakt für Schulen standGeld zur Verfügung, dieMittel wurden aber so gut wie nicht abgerufenoder zu spät.“ Es sei alles viel zu bürokratisch; siemahnt mehr Professionalität in den Strukturen der öffentlichen Verwaltungan. DasFaxgerät sei definitivout. Christophe Hocquet forderte, Startups bei öffentlichen Ausschreibungen mehr zu berücksichtigen. „Wie sollen ein- oder zweijähriges Startup-Unternehmen Bilanzen der letzten fünf Jahre vorlegen?“ Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verzweifelt gesucht Den drohenden Fachkräftemangel sahen alle Vertreterinnen und Vertreter auf dem Podiumals vorrangigesProblemimSaarland. „Wir brauchenMasse vonaußen“, sagt Bernd Reis, undwarnt vor einem sich zuspitzenden Verdrängungswettbewerb um qualifizierte Arbeitsplätze. Er befürchtet außerdem, dass wichtige Investitionen künftig verstärkt in den Ballungsgebieten stattfinden und die Dörfer alsHeimat desHandwerks ausbluten. Es gibt einen Wettbewerb um Fachkräfte und einen Wettbewerb um Unternehmen. Bei letzterem sei die Politik gefragt und das bedeute, die Attraktivität des Standorts Saarland zu verbessern, so Stella Pazzi. Neben den hohen Gewerbesteuern fehle es im Saarland vielfach an geeigneten und großen Industrie- undGewerbeflächen, meint Oliver Groll. Die Marketingaktivitäten müssten sich künftig noch stärker auf andere Länder konzentrieren. „Das Saarlandmussweltweit mehr positive Schlagzeilen machen.“ Die Probleme sind bekannt. Wie ernst es umdieLösungbestellt sei, zeigeder Zuschnitt der Ministerien, ist sich Bernd Reis sicher. Von einem Vernetzungsministerium spricht Oliver Groll und hofft, dass für allesWichtige eine Ansprechpartnerin oder Ansprechpartner für die Wirtschaft zur Verfügung stehe. DenMut, Visionäres anzugehen und über die Legislaturperiode hinauszudenken, fordert Pazzi von der neuen Landesregierung. Für die Zukunftssicherung des Saarlandes wäre gemeinsam vieles möglich. [nea] Wirtschaft | kontakt VSE Moltomedia-Geschäftsführerin Stella Pazzi, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer des Saarlandes Bernd Reis, SR-Moderatorin Verena Bisle, IHK-Geschäftsführer Oliver Groll, Geschäftsführerin von Glöckner Natursteine Katja Hobler, Mitgründer von natif.ai Christophe Hocquet und AKW-Vorsitzender Harald Bellmann (v.l.). 19

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