kontakt 02/2022

Rekordausgabe: VSE investiert in die Zukunft des Saarlandes Innovation: VSE macht Netze fit für die Energiezukunft Interview: MP Rehlinger zum Energiestandort Saarland Jubiläum: 110 Jahre VSE Teil der Energiewende 02/2022

04 Krisen beschleunigen Energiewende 07 Mittendrin statt nur dabei … 08 Zukunft Smart Grid 10 idFlexNetz 12 Nestlé Wagner: Pizza Verde 14 Z F Friedrichshafen AG: Antrieb zur Klimaneutralität 16 N etzwerk-Gründung: Gemeinsam geht Energieeffizienz 18 Forderungen der saarländischen Wirtschaft 20 Die Zukunft des Saarlandes liegt in Europa 22 E nergiewende in Luxemburg beschleunigen, aber wie? 24 B ilanz gezogen 26 energis gibt weiter Gas beim Glasfaserausbau 2 VSE kontakt | Inhalt 28 Ladeinfrastruktur für das Saarland 30 Werkzeuge für Krisensituationen 32 Die Zukunft ist digital. Neodigital. 34 Die Energiedaten-Zukunft ist digital 36 Pluspunkte langjähriger Zusammenarbeit 38 Balkone energetisch begrünt 40 Die Ressource Energie 42 K urzmitteilungen 44 Strom soll ihr tägliches Geschäft werden 46 Der WATT-Verein 2021: DJK Püttlingen 48 „Süß, köstlich … und verdammt viel Arbeit!“ 50 VSE-Gruppe wandert erneut 52 Zeit für Zusammenhalt 54 110 Jahre VSE und ein großes DANKE

Alle Fotos wurden unter Berücksichtigung der Corona-Vorgaben erstellt oder sind vorher entstanden. 3 Liebe Leserinnen und Leser, der Krieg in der Ukraine tobt nun schon fast ein halbes Jahr, ein Ende ist nicht abzusehen. Seit dem 24. Februar 2022 ist nichts mehr, wie es einmal war. TagfürTagsterbenmitten inEuropaTausende inPutinsBombenhagel. Frauen und Kinder sind weiterhin auf der Flucht, während ihreMänner an der Front kämpfen. In Afrika droht wegen ausbleibender Getreidelieferungen eine Hungersnot undweltweit steigen die Energiepreise in astronomische Höhen. Auf den ersten Blick sind wir diesen globalen Auswirkungen hilflos ausgeliefert. Aber wir bleiben in der VSE-Gruppe nicht tatenlos. Wir tun im Zusammenwirken mit unserem Mutterkonzern E.ON alles uns Mögliche, dieVersorgungssicherheit unserer KundinnenundKunden zu gewährleisten. Wir investieren in einer bisher noch nie dagewesenen Größenordnung in dieModernisierung von Infrastruktur, inDigitalisierung, moderne Netze, Erneuerbare Energien. Umvon russischenEnergienunabhängig zuwerden, brauchenwir die Energiewende.Wir brauchen leistungsstarkeWindparks undPV-Anlagen.Wir brauchen intelligenteNetze, die dieseEnergie verlässlich indie HaushalteunsererKundinnenundKunden transportieren.Wir brauchen digitale Systeme, die dies alles erst möglich machen. Wir brauchen die Erfahrung und die Leistungsfähigkeit der VSE-Gruppe. Wir sind bereit, unseren Beitrag zur sicheren Energieversorgung in unserem Land zu leisten. Mit freundlichen Grüßen Ihr VSE-Vorstand Dr. Hanno Dornseifer Dr. Stephan Tenge Editorial IMPRESSUM Herausgeber: VSE AG Redaktion: Marie-Elisabeth Denzer [v.i.S.d.P.] Mitarbeiter dieser Ausgabe: Marie-Elisabeth Denzer [med], Michael Lhuillier [ml], Sarah Lehnen [sl], Katja Scherer [ks], Armin Neidhardt [nea], Michael Därnbächer [md], Michi Jo Standl [mjo], Thomas Jungmann [tj], Felix Hübner [fh] Fotos: VSE AG, FAMIS GmbH, artelis s.a., energis GmbH, Voltaris GmbH, VSE Agentur, Dirk Guldner, Armin Neidhardt, brainworks unlimited, Staatskanzlei/Oliver Dietze, Sophie Margue, Neodigital Versicherung AG, Martin Reinert, Oliver Borhofen, Peter Spies, Markus Kissel, Matthias Bubel, Irmgard Forster-Seiwert, Gemeindewerke Haar GmbH, Elektrizitätswerke Reutte, Nestlé Wagner, Stefan Wildhirt, ZF Friedrichshafen AG, VDS Stahl, Pixabax, Thomas Jungmann, Frank Altmeier, Axel Junker, Nadine Goebel, Uwe Seiwert, Klaus D. Wolf Layout: Michael Weiss, Saarbrücken Druck: Druckerei Kern, Bexbach Copyright: VSE AG – Kommunikation, Postfach 10 32 32, 66032 Saarbrücken, Telefon 0681 607-1153, kontakt@vse.de, www.vse.de

Der mit Konsequenz eingeschlagene Weg derVSEAGmit ihrenTochterunternehmen energis, artelis und FAMIS, den Ausbau der regenerativen Energien voranzubringen, die Infrastruktur für Energie und Wasser, Elektromobilität undTelekommunikationweiter zu modernisieren, den Wärmemarkt sukzessive zuelektrifizierensowieEnergie-Effizienz-Maßnahmen inklusive innovativer Energiedienstleistungengemeinsammit denKundinnenund Kunden umzusetzen, sei die richtige Antwort auf die gewaltigen Herausforderungen unserer Zeit. „In diesen Zeiten des Krieges und des Klimawandels sowie der längst nicht überwundenen Folgen der Corona-Pandemie gilt es, die Unternehmen der VSE-Gruppe als verlässliche Partner für Energieversorgung und Infrastruktur noch stärker indenFokus zu rücken“, erklärteVSE-VorstandStephanTenge. Rückläufige Strom- und Gasabgabe Die Stromabgabe der VSE-Gruppe sank im Geschäftsjahr 2021 konjunktur- und pandemiebedingt von 9.175 auf 7.415 GWh, da Industrie und Großhändler deutlichweniger Strom abnahmen. Die Erdgasabgabe fiel im Geschäftsjahr von 10.793 auf 8.975 GWh. Während der Absatz an die Industrie weitestgehend konstant blieb, sank vor allem der Absatz an den Großhandel. Die Wasserabgabe sank imabgelaufenenGeschäftsjahr geringfügig von 6,8 auf 6,5 Millionen m3. Höhere Umsatzerlöse Klimawandel undCorona-Krise, dieVerteuerung von Energie an denBeschaffungsmärkVSE-Gruppe bleibt verlässlicher Partner in Krisenzeiten Krisen beschleunigen Energiewende Die VSE-Gruppe bleibt ein verlässlicher Partner in Krisenzeiten sowie einer der wichtigsten Akteure der Energiewende imSaarland. „Die sichere und verlässliche Versorgung des Saarlandes mit klimafreundlicher und bezahlbarer Energie hat durch den Krieg in der Ukraine eine neue Dimension erreicht“, betonte VSE-Vorstand Hanno Dornseifer AnfangMai in Saarbrücken. Dr. Hanno Dornseifer: „Aufgrund der langfristigen Beschaffung von Strom und Gas gehört es zum Selbstverständnis der VSE, die Versorgung sicherzustellen und den Kunden möglichst attraktive Preise zu bieten. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass derzeit ein extrem hohes Preisniveau an den Börsen existiert.“ 4 VSE kontakt | Bilanz

ten sowie verschärfte gesetzliche Auflagen führten zu einer steigenden Nachfrage nach nachhaltigen, energienahenund innovativen Lösungen. So baute die VSE ihr Dienstleistungsgeschäft mit Stadt- und Gemeindewerken sowie Industriekunden weiter aus, zumBeispiel beimBauvonLadeinfrastruktur für Elektromobilität und damit verbundene digitale Dienste, vermarktete mehr aus dezentralen Erzeugungsanlagen bereitgestellte Energie an der Börse und forcierte ihr Geschäftsmodell zur Asset-Optimierung im Gas- und Strombereich. Zudem wurde eine zunehmendeNachfrage nachTelekommunikationsdienstleistungen verzeichnet. Neben den deutlich gestiegenenBeschaffungspreisen für Strom und Gas sorgte die hohe Nachfrage nach diesenDienstleistungen für höhereUmsatzerlöse der VSE-Gruppe 2021. Sie stiegenvon984auf 1.022MillionenEuro. Erwarteter Schub für erneuerbare Energien „Die Folgen des Ukraine-Krieges sind wirtschaftlich schwer einzuschätzen; sicher ist nur, dass sie die Energiewende weiter beschleunigen werden“, sagte Stephan Tenge. Gemeinsammit Partnerunternehmen ist die VSE an rund 128 Megawatt (MW) installierter Windkraft und rund 25 MW Photovoltaik im Saarland beteiligt. Weitere Windkraftanlagenmit einer Leistung von ca. 50MWWindkraft und 20MWPhotovoltaik befinden sich in der Projektierung. Aufgrund der angespannten Lage auf den Energiemärkten setzt die VSE darauf, dass sich die politischen Rahmenbedingungen für den Ausbau der regenerativen Energien kurzfristig verbessern und Wind- und Photovoltaikprojekte auf eine noch höhere Akzeptanz in der Bevölkerung treffen. „Neben ökologischen Gründen sprechen nunmehr auch verstärkt Autarkiebestrebungen für den Ausbau regenerativer Energieerzeugung“, betonte Hanno Dornseifer. Elektromobilität in Fahrt Die Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge in saarländischenKommunen, bei Industrie- undPrivatkundenhat 2021 dankder partnerschaftlichen Zusammenarbeit von energis undFAMIS imBereichElektromobilität deutlich zugelegt. Ebenso ist die Nachfrage nach effizienten innovativenWärmelösungenwie Stromwärmepumpen angestiegen. InsgeDr. Stephan Tenge : „Trotz derzeitiger Krisen befindet sich die VSE-Gruppe auf Wachstumskurs. Dafür sprechen die Rekord-Investitionssumme von rund 230 Millionen Euro in den nächsten drei Jahren sowie die geplante Einstellung von rund 130 neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.“ vimeopro.com/ vsegruppe/vse-tv/ video/707750571 5 Bilanz | kontakt VSE

Saarland an das Glasfasernetz. VSE NET ist nachwie vor auch außerhalb des Saarlandes erfolgreich tätig wie in den Regionen Eifel, Hunsrück und Nahe. Zudem ist VSE NET Telekommunikationsdienstleister für E.ON und weitere Unternehmen, zum Beispiel für dieBereitstellungvon innovativenWhite-Label-Breitbanddiensten auf Glasfasernetzen inBrandenburg,Mecklenburg-Vorpommern, imnördlichenSachsen-Anhalt und imRheinMain-Gebiet. Investitionen auf Rekordniveau Die VSE-Gruppe wird in den Jahren 2022 bis 2024 die Rekordsumme von rund 230 Millionen Euro investieren, davon rund 135 Millionen Euro für den Ausbau von Strom-, Gas- und Wassernetzen inklusive deren Digitalisierung, rund 60 Millionen Euro für die Telekommunikationsinfrastruktur und weitere rund 10Millionen Euro für den Ausbau regenerativer Energien im Jahr 2022. Vonder Investitionstätigkeit derVSE-Gruppe profitiert die heimischeWirtschaft: Über 50 Prozent der Aufträge und fast 90 Prozent der Bauarbeiten vergibt die VSE-Gruppe an saarländischeUnternehmen. Das sichert Arbeitsplätze in der Region und sorgte 2021 für regionale Wertschöpfungseffekte in Höhe von 242 Millionen Euro. Zunahme attraktiver Arbeitsplätze Allein durch das Investitionsprogramm der VSE-Gruppe sollen bis Ende 2024 rund 130 neueArbeitsplätze geschaffenwerden. Zum Ende letzten Jahres beschäftigte dieGruppe 1.465 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Vereinbarkeit von Beruf und Familie, flexible Arbeitszeitmodelle, vielfältige Kinderbetreuungsmöglichkeiten, ein umfangreiches betriebliches Gesundheitsmanagement sowie eine zukunftsorientierte Aus- und Weiterbildung sprechen für die VSE-Gruppe als attraktiver Arbeitgeber. Allein 72 Auszubildende in 17 verschiedenen Berufen befinden sich in der beruflichen Erstausbildung. [nea] samt habenbeideUnternehmenbereits rund 870 öffentliche und private E-Ladepunkte installiert. Innovative Wärmelösungen mit Wärmepumpen, kalteNahwärmeprojektewie in der GemeindeHeusweiler, Solarthermieanlagen in Verbindung mit regenerativen Energien sowie Holzhackschnitzel- oder Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen stehenhoch imKurs. FAMIS bietet speziell für Kundinnen und Kunden aus Industrie und Gewerbe, Kommunen und dem Gesundheitswesen solche energienahen Dienstleistungen an. Saarland digital zukunftssicher machen Im Rahmen der saarländischen Gigabit-Strategie bauen energis und VSE NET gezielt Glasfasernetze im Saarland aus. Beide Unternehmen arbeiten in enger Abstimmung an der Weiterentwicklung der bereits realisierten FTTH-Erschließungen (Fiber to the Home) von Privat- und Geschäftskundinnen und -kunden sowie der Anbindung von Gewerbegebieten im Angaben in Mio. € 2020 2021 Aufträge an regionale Wirtschaft 74,2 52,7 Ausbildung 1,5 1,6 Gewerbesteuer 7,4 7,7 Konzessionsabgaben an Kommunen 10,4 10,4 Zahlungen an Mitarbeiter + Pensionäre 83,7 87,7 Zahlungen an regenerative Stromerzeuger 126,2 81,8 Wertschöpfungseffekte in der Region 303,4 241,9 Umsatz-, Energie- und Körperschaftssteuer 99,4 105,7 6 VSE kontakt | Bilanz

Schritt halten inder sich rasant veränderndenWelt –umdas zu erreichen, setzt die VSE-Gruppe seit Jahren auf ein Innovationsmanagement, das nebendemIdeenmanagement und dem Intrapreneurship auch viel Wert auf die Zusammenarbeit mit Startups legt. Dabei halten die VSE-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter nicht nur direkt Ausschau nach Startups mit passenden Lösungen, sondern sind zudem auch im Austausch mit ihren Kolleginnen und Kollegen aus dem E.ON-Konzern. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass dieVSE auchbei der regelmäßig stattfindenden E.ONGrid Startup Challengemittendrin statt nur dabei ist. Daniela Kröpelin, Leiterin IT&Digitalisierung bei der VSE, hat imOrganisationsteam der diesjährigen Challenge mitgewirkt: „Es ist eine klasse Erfahrung, in einem häuserübergreifenden Team zusammenzuarbeiten und den innovativen Spirit unserer Kolleginnen und Kollegen mit einer internationalen Startup-Szene zusammenzubringen.“ VSE setzt Pilotprojekte mit Startups um Dass die VSE nicht nur bei der Organisation mitmischt, hatte bereits die E.ON Grid StartupChallenge imJahr 2020gezeigt.Mit dem damaligen Gewinner-Startup vilisto wurde inzwischen ein Pilotprojekt in der VSE-Gruppe durchgeführt (wir berichteten). Mit den von vilisto angebotenen intelligenten Heizkörperthermostaten konnten im Rahmen des Pilotprojekts in zwei Gebäuden der VSE-Gruppe in Summe 25,3 Prozent Heizwärme, CO2 und Heizkosten eingespart werden. Auf der Veranstaltungder Challenge Anfang Mai in München wurden die Pilotergebnisse dem interessierten Publikum aus den verschiedenen Häusern des E.ON-Konzerns vorgestellt. Das Event war gleichzeitig der Auftakt für die Pilotprojekte der E.ON Grid Startup Challenge 2022. Die VSE ist erneut dabei und plant diesmal ein Pilotprojekt mit dem StartupPHYSEC. PHYSECversprichtmit seiner Lösung, dieÜberwachung von kritischen Infrastrukturen zu revolutionieren.Mit einer Art Fingerabdruck der Umgebung können alle Veränderungen bis hin zu wenigen Millimetern identifiziert werden. So haben z. B. Einbrecher und Saboteure keine Chance mehr, Sabotagenunentdeckt durchzuführen. Die VSE wird die Lösung von PHYSEC in der Umspannanlage Saarwellingen testen. Und nicht nur die involvierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind bereits sehr gespannt auf die Ergebnisse. [fh] E.ON Grid Startup Challenge: Mittendrin statt nur dabei … Die Energiewende in einer vernetzten und nachhaltigenWelt voranzutreiben, ist eine der Hauptbestrebungen der VSE-Gruppe. Umdie aktuellen gesellschaftlichen und europäischen Herausforderungen zu meistern, bedarf es einer flächendeckend ausgebauten und sektorübergreifenden Energieinfrastruktur sowie Kreativität, Zusammenarbeit und Innovation. Weitere Infos: huebner-felix@vse.de Daniela Kröpelin beimEvent der E.ONGrid Startup Challenge in München 7 Startup | kontakt VSE

Optimale Bewirtschaftung der Stromnetze Zukunft Smart Grid Diese Aufgabe ist zentral für den zukunftssicheren Netzausbau der VSE-Gruppe. Denn mit der kontinuierlich zunehmendenAnzahl dezentraler Einspeiser (Erneuerbare-Energien-Anlagen, z.B. PV) und der steigenden Anzahl dezentraler Stromabnehmer (z.B. WärmepumpenundElektrofahrzeuge) ergeben sich heute völlig neue Anforderungen an das Stromnetz. Das Netz muss für die Anforderungen der Energiewende fit gemacht werden. In Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen aus dem E.ON-Konzern und den Netzgesellschaftender VSE-Gruppewerden Lösungen erarbeitet und umgesetzt, umdas Stromnetz auchbei volatiler Einspeisungund Abnahme stabil und belastbar zu halten. Die Netze der VSE-Gruppe sollen smart werden. Das heißt, sie sollen mit den Möglichkeiten der Digitalisierung so „intelligent“ und flexibel werden, dass sie den wechselnden Bedürfnissen von Einspeisern undAbnehmern stets verlässlich gerecht werden. Oder anders ausgedrückt: Ziel von SmartGrid@VSE ist es, die Beobachtbarkeit und Steuerbarkeit der Nieder- und Mittelspannungsstromnetze zu erhöhen. Hierzu werden geeigneteOrtsnetzstationen(ONS)mitMelde-, Mess- und Steuertechnik nachgerüstet oder durchmodernedigiONS, diemitdieserTechnik bereits ausgestattet sind, ersetzt. Gleichzeitig wird die Informationsübertragungstechnik und -speicherungweiterentwickelt, diehöchsten Sicherheitsstandards genügt. Neben diesen Netzlösungen können auch Mehrwerte für Kundinnen und Kunden (unregulierteNetzgeschäftslösungen) generiert werden. Die Integration der Technik in das Netz veranschaulicht die Grafik. 8 VSE kontakt | Netze In seinem ersten Interview für kontakt erklärt der neue technische Vorstand der VSE AG, Dr. Stephan Tenge, dass ihm dieWeiterentwicklung der Netze der VSE-Gruppe sehr am Herzen liegt (siehe Ausgabe I/2022 unter www.vse.de). Im diesjährigen Jahrespressegespräch untermauerte er dies auch noch mit Zahlen: Bis 2024 möchte die VSE-Gruppe rund 135 Millionen Euro in den Ausbau ihrer Strom-, Gas- undWassernetze inklusive deren Digitalisierung investieren.

Weitere Infos: huebner-felix@vse.de Michael.Hussinger@energis- netzgesellschaft.de es heute und inZukunft unzählige Einspeiser. Das Netz wird von der Einbahnstraße zur mehrspurigen Autobahn. Hier müssen alle Stromnetzbetreiber aktivwerden. Das Problem lässt sich nicht dadurch lösen, dassman einfach mehr und dickere Kabel verlegt. So werdenwir das bestehende Netz, wo immer es möglich ist, mit digitaler Technik so fit machen, dass es den neuen Anforderungen genügt. Wie stellen Sie sicher, dass die gesetzten Ziele auch erreicht werden? Als VSE-Gruppe haben wir den Vorteil, dass wir alle notwendigen Fachdisziplinen abdecken; wir haben die Spezialisten sozusagen imHaus. Darüber hinaus profitieren wir stark von der Zusammenarbeit mit unseren Schwesterunternehmen im E.ON-Konzern. Was kann einer Künstlichen Intelligenz (KI) überlassen werden und was sollte weiterhin inMenschenhand bleiben? Wir liefern uns im smarten Netz keiner Künstlichen Intelligenz aus, sondern nutzen die positiven Errungenschaften der von MenschenprogrammiertenAlgorithmen. Im neuen Stromnetz mit volatiler Einspeisung laufendieProzesse in einer Geschwindigkeit, die ineiner Schaltzentraleperspektivischvon Handgar nichtmehr alleingesteuertwerden können. Dennoch: Wir geben die Kontrolle nie aus der Hand! Nehmen wir zum Vergleich das autonome Fahren. Wir nutzen im smarten Mit SmartGrid@VSE arbeitet die VSE an der Zukunft der Stromnetze, um eine sichere Versorgung zu marktgerechten Preisen auch künftig zu ermöglichen. Dazu Fragen anVSE-TechnikvorstandDr. Stephan Tenge: Herr Tenge, die VSE investiert verstärkt in den Ausbau der Netze, was heißt das genau? Aufgrund der zunehmenden Anzahl dezentraler Einspeiser, insbesondere Windenergie- und Photovoltaikanlagen, und der ebenso steigenden Anzahl dezentraler Stromabnehmer, wie Wärmepumpen und Elektrofahrzeuge, ergeben sichheutzutage völlig andereAnforderungen an das Stromnetz als in früheren Zeiten. Um diese Versorgung zu marktgerechten Preisen sicherzustellen, investieren wir in unser Stromnetz. Dabei geht es imKerndarum, dasMittelspannungs- und das Niederspannungsnetz „smart“ und „intelligent“ zu machen. Dies geschieht u. a. durch den Einsatz von digitalen Ortsnetzstationen. Diese neuen digiONS erheben vielfältige Daten und können aus der Ferne gesteuert werden. Dafür benötigenwir eine Kommunikationsanbindung, die höchsten Sicherheitsstandards entspricht. Wieso sind dieseMaßnahmen aus Ihrer Sicht so wichtig für unsere Zukunft? Unsere Stromnetze müssen den Anforderungen der Energiewende genügen. Wo früher einmal Strom nur in eine Richtung floss, vom Erzeuger zum Verbraucher, gibt Netze | kontakt VSE Netz lediglich die Assistenzsysteme, um sicher fahren zu können, aber der Mensch sitzt weiterhin am Steuer. Was ändert sich für dieMitarbeiterinnen undMitarbeiter? Nun, es ist wie bei allen Neuerungen und Umstellungen. Es wird sich für die betroffenen Kolleginnen und Kollegen einiges ändern. Das ist nicht immer bequem. Es wird den einen leicht fallen, den anderen etwas schwerer. Wir begleiten den Umstellungsprozessmit umfassenden Schulungen, unterstützen die Kolleginnen und Kollegen, wo immer es nötig ist. Die Smartifizierung der Netze ist ein Prozess, der jetzt in Gang kommt. Und hier gilt die alteWeisheit: Wir wachsen mit unseren Herausforderungen. Herr Tenge, vielen Dank für diese Einblicke! [fh] 9

AnfangMai hat die VSE AG gemeinsammit renommierten Partnern aus den Bereichen Industrie, Forschung und Software/Consulting ein Digitalisierungsprojekt für die Energiebranche gestartet. Ziel des idFlexNetz getauften Forschungsvorhabens ist es, digitaleModelle („Zwillinge“) vorhandener Netzbetriebsmittel zu schaffen, umdiese nebst Algorithmen zur Betriebsführung demMarkt zur Verfügung zu stellen. Mit Blick auf die Erfordernisse der Dekarbonisierung verknüpft das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klima mit rund 2 Mio. Euro geförderte Digitalisierungsprojekt die Sektoren Wärme, Gas, Strom und Mobilität. Dabei geht es prinzipiell darum, die Verteilnetze fit für die Zukunft zu machen. Eine durch die wachsendeBedeutungder erneuerbarenEnergien (EE) zunehmend dezentrale und hochdynamische Energieerzeugung übergreifend und intelligentmit immer flexibleren lokalenVerbrauchern maßgeschneidert abzustimmen. Die Basis – fälschungssichere digitale Zwillinge Aus den individuellen, sehr heterogenen Insellösungen der Netzbetreiber bislang soll mit Hilfe einer noch zu entwickelnden standardisiertenBeschreibungssprachezunächst eineinheitliches IKT-Ökosystemfür entsprechende Vorhersage- und Betreibermodelle entstehen. Dessen digitale Produkte können dann später auf einem digitalen Markt, der höchstenSicherheitsanforderungengenügt, gehandelt werden. Von realen Netzkomponenten wie z. B. Ortsnetzstationen werden dazu digitale 10 VSE kontakt | Innovation VSE beginnt Digitalisierungsprojekt zur Energiewende idFlexNetz

Abbilder erstellt, das heißt, fälschungssichere Modelle, sogenannte digitale Zwillinge. Netzbetreiber können diese Modelle dann z. B. für verschiedene Anwendungen zum Netzbetrieb wie Netzkapazitätsschätzungen, Netzsimulationen, Netzlastprognosen oder auch Instandhaltungsmaßnahmen in unterschiedlichen Ausprägungen und Szenarien nutzen. Allesamt Parameter, die ihren spezifischen Bedingungen vor Ort mit viel Betriebserfahrung gerecht werden und am Ende allen Netzbetreibern in vergleichbaren Situationen und nicht zuletzt der Industrie zur Verfügung stehen. Dies soll Zeit und Kosten reduzieren. Renommierte Projektpartner – intradisziplinär Um eine universelle Nutzbarkeit der digitalen Güter in Netz-Applikationen zu erreichen, werden innerhalb des Projekts standardisierte Schnittstellen entwickelt. Ziel hier ist es, einheitliche Verfahren zu entwickeln, die es den Akteuren ermöglicht, die Modelle in digitale Zwillinge zu überführen und zuHandelszwecken auf demMarktplatz anzubieten. Hierzu arbeiten das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) und Fraunhofer IOSB-AST, die Schneider Electric GmbH, Spherity GmbH sowie die Frankfurt School of Finance und SAP SE unter der Leitung der Saarbrücker VSE AG künftig an sektorübergreifenden Lösungen und deren Vermarktung. „Wir freuen uns, zusammen mit den vielfältigen Partnern dieses spannende Forschungsvorhaben zu starten“, kommentiert Dr. StephanTenge, technischer Vorstand der VSE AG, die Anlaufphase des Zukunftsprojekts. „Ich denke, dass wir genau den richtigenMix anPartnern indiesemProjekt haben. Persönlichhabe ichhoheErwartungenandas Projekt und freue mich schon auf die ersten Ergebnisse. Das Thema digitaler Zwilling“, weiß Tenge, „eröffnet uns neue Möglichkeiten im Rahmen der Energiewende.“ idFlexNetz – das Geschäftsmodell Das Geschäftsmodell eines solchen Ökosystems fußt auf der Vergleichbarkeit und Transparenz der digitalen Zwillinge. Digitale Modelle, die Netzbetreiber in Zukunft samt Stammdaten und weiterer wertvoller Parameter wie Standort- und Nutzungsdaten auf dem digitalen Marktplatz zum Verkauf anbieten, aber auch für ihre eigenen Tätigkeitsfelder einkaufen können. Andere Netzbetreiber profitieren insofern von der Erfahrung der gesamten Branche, als sie für sieexaktpassendeModelleerwerben, nutzen und nach demBeispiel der Online-Plattform Amazon bewerten können. Das entstehende IKT-Ökosystem mit all seinen enthaltenen digitalen Modellen wird sie in die Lage versetzen, ihre Netze ökonomischer, also zu niedrigerenKosten, undsicherer zubetreiben und ihrenKundinnen undKunden niedrigere Netznutzungsentgelte in Rechnung stellen zu können. Aber auchdie Industrieprofitiert potenziell von dem neuen digitalen Marktplatz der Zukunft. Für Produzenten von Netzkomponenten etwa, für Systemlieferanten oder Soft- undHardware-Hersteller stellt der entstehende Daten-Pool auf dieser Plattform eine beispiellose Informationsquelle aus der Praxis zur gezielteren eigenen Produktentwicklung für die Energiebranche dar. [tj] Weitere Infos: schalk-alexander@vse.de 11 Innovation | kontakt VSE

VSE kontakt | Vorreiter Nicht nur imBelag der Pizzen des saarländischen Traditionsunternehmens NestléWagner findet man „Verde“, also Grün. Auch der Strommix ist 100 Prozent ökologisch. Als Beilage: Zutaten aus nachhaltiger Produktion. Nachhaltiges Saarland Nestlé Wagner: Pizza Verde Hundert Prozent grüner Strom Seit Jahresbeginn werden alle Nestlé-Standorte in Deutschland mit hundert Prozent Ökostrom versorgt, Wagner in Nonnweiler bereits seit Anfang 2021. Dadurch spart das saarländischeUnternehmen 18.000TonnenCO2 imJahrein.Das ist soviel, wie rund 1,4 Millionen Bäume ausgleichen würden. Ein großer Teil des grünen Stroms kommt ausDeutschland, unter anderemvom Windpark imrheinland-pfälzischenDesloch, rund 70Kilometer vonNonnweiler entfernt. „Damit derWeg noch kürzerwerden könnte, prüfen wir aktuell gemeinsam mit der VSE dieMöglichkeit einer Direktanbindung eines Windparks zu unserem Werk“, erklärt Lisa Stumm-Gebert, im Unternehmen für Energie- und Umweltmanagement zuständig. 1952 eröffnete der italienische Gastarbeiter Nicolino di Camillo inWürzburg die erste PizzeriaDeutschlands. Der rundeWeizenfladen mit dem Grundbelag aus Tomaten und Käse trat seinenSiegeszugdurchdieBundesrepublik an. Pizza geht für viele immer – bis heute. Der Braunshausener Bäckermeister Ernst Wagner, der anfangs mit seinem Unternehmen Wagner Tiefkühlprodukte unter anderem Schwenkbraten vertrieb, erkannte 1973denPizza-Trend. Erfingan, tiefgefrorene Pizza für zuhause zu produzieren. Heute sind neun unterschiedliche Produkte in verschiedenen Geschmacksrichtungen im Handel – u.a. italienisch, amerikanisch und elsässisch alsFlammkuchen. DasUnternehmenhat sich imLaufeder Jahrzehnte zueinemder größten europäischen Hersteller von Tiefkühlpizzen entwickelt –und zueinemder saarländischen Aushängeschilder in Sachen Nachhaltigkeit. Als Teil des Nestlé-Verbundes – seit 2013 zu 100 Prozent – nutzt Wagner alle Möglichkeiten. Mit ihrer Nachhaltigkeitsstrategie will die Landesregierung das Saarland fit für eine klimaverträgliche Zukunft machen. Im Leitbild werden sowohl ökonomische und ökologische als auch soziale Aspekte berücksichtigt und in Einklang gebracht. Doch wie arbeitet die saarländischeWirtschaft, wie stellen sich Firmen für eine nachhaltige Zukunft auf? kontakt stellt in Teil 2 der Serie die Nachhaltigkeitsstrategien der Saar-Unternehmen vor. 12

Vorreiter | kontakt VSE Nachhaltigkeit beginnt bei den Zutaten Doch Wagners nachhaltiger Weg begann schon viel früher – was die Zutaten für die Pizzen betrifft. Die Tomaten kommen nicht etwa aus einer industriellen Plantage, sondern zumBeispiel aus einemFamilienbetrieb im norditalienischen Piacenza. Seit 30 Jahren wird Wagner von Familie Squeri mit sonnengereiften Freilandtomaten beliefert. Energieverbrauch für Glashäuser entfällt. Der Anbau ist nachhaltig: Durch Tröpfchenbewässerung wird Wasser gespart, Blühstreifen sorgen für den Erhalt der Artenvielfalt, Fledermäuse finden zwischen den Tomatenstauden Nistkästen vor. Auch der Transport nachDeutschland ist durchdacht, wie Brand-Managerin Felicia Lonsdorfer erklärt: „Wirmöchten, dass unsere Pizzen vom Feld bis auf deinen Teller möglichst wenige CO2-Emissionen verursachen. Deswegen transportieren wir unsere Tomaten seit 2021 von Italien bis nach Trier größtenteils mit dem Zug. Nur das letzte Stück bis nach Nonnweiler fahren sie noch auf der Straße. So können wir fast die Hälfte an CO2 beim Transport einsparen.“ Während Tomaten aus der sonnenverwöhnten lombardischen Ebene schon den Qualitätsansprüchen von Wagner entsprechen, kann das Unternehmen beim Mehl noch regionaler einkaufen. Der Weizen für das Mehl, das in der zur Juchem-Gruppe gehörenden Bliesmühle in Blieskastel hergestellt wird, kommt von heimischen Landwirten. Weitere Infos: www.original-wagner.de 13 Familie Squeri baut in Italien Tomaten für die Pizzas nachhaltig an. Foto: StefanWildhirt Wagner in Nonnweiler produziert seit 1973 Tiefkühl-Pizzen. Foto: NestléWagner Umweltprojekt im saarländischen Bliesgau Nestlé Deutschland setzt sich zusammen mit verschiedenen Partnern, wie demGlobal Nature Fund, für Artenvielfalt ein. EinTeil des vonderEUgefördertenProjektes: ImBliesgau lässt die Bliesmühle mit zunächst fünf Landwirtinnen und Landwirten neue Blühflächen als Refugium für Insekten entstehen. Außerdem sollen Bäume und überwinternde Zwischenfrüchte für biologische Vielfalt und Bodengesundheit sorgen. [mjo]

VSE kontakt | Vorreiter Antriebe für Fahrzeuge sind das Geschäft des ZF-Standortes Saarbrücken. Der eigene Antrieb des Unternehmens ist es, einwichtiger Teil der Eindämmung des Klimawandels zu sein. Nachhaltiges Saarland ZF Friedrichshafen AG: Antrieb zur Klimaneutralität Auf demWeg zur Klimaneutralität „ZF hat sich zum Ziel gesetzt, in allen drei Scopes bis spätestens 2040 klimaneutral zu werden“, sagt FrankKlemm, LeiterWerksanlagenamStandort Saarbrücken. Sogenannte Scopes sind in einem Unternehmen die Bereiche, in denen Klimaneutralität umgesetzt werdenkann:DirekteEmissionen,wieausder Produktionoder demFuhrpark, CO2-Ausstoß des Energieversorgers und zu guter Letzt die Emissionen, dieausder Lieferkettehervorgehen. Bis 2030sollendieEmissionenderweltweit produzierenden Standorte um rund 80 Prozent gegenüber 2019 verringert werden. Einer der Dreh- und Angelpunkte, um die Ziele zu erreichen, ist dieVersorgungmit grünemStrom. Bis2025sollenalleZF-Standorte in Deutschland zu 40 Prozent mit nachhaltig produziertemStrom versorgt werden. Nachhaltigkeit ist für ZFFriedrichshafenein integraler Bestandteil der ZF-Konzernstrategie und geht über den Klimaschutz hinaus. Die Vereinten Nationen haben 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung definiert. Politische Zielsetzungen, dieweltweit nachhaltigenEntwicklungen auf ökonomischer, sozialer und ökologischer Ebenedienen. ZFhat acht dieser Ziele identifiziert, zudenendasUnternehmen einen relevanten Beitrag leisten kann. Entweder, indem Auswirkungen minimiert oder neue, technische Lösungen mit positiven Effektenentwickeltwerden. Dabei konzentriert sich ZF auf die Dimensionen Klima undNatur, Menschen sowie beständige Werte. Gerade für Autozulieferer wie ZF Friedrichshafen ist Nachhaltigkeit eine Herausforderung, vor allem was die Außenwirkung betrifft. Dass derVorstandsvorsitzendedesStandortsSaarbrücken,Wolf-HenningScheider, angekündigt hat, dieZukunft auf Elektro-Automatikantriebe ausrichten zu wollen, ist nur ein Aspekt. Hinter den Kulissen arbeitet ZF schon lange angrünenStrategien. Grundlagedafür ist das konzernweite Nachhaltigkeitsprogramm. Mit ihrer Nachhaltigkeitsstrategie will die Landesregierung das Saarland fit für eine klimaverträgliche Zukunft machen. Im Leitbild werden sowohl ökonomische und ökologische als auch soziale Aspekte berücksichtigt und in Einklang gebracht. Doch wie arbeitet die saarländischeWirtschaft, wie stellen sich Firmen für eine nachhaltige Zukunft auf? kontakt stellt in Teil 2 der Serie die Nachhaltigkeitsstrategien der Saar-Unternehmen vor. 14

Vorreiter | kontakt VSE Koppelkraftwerk mindert Emissionen Seit 2013 betreibt ZF Saarbrücken ein eigenes Koppelkraftwerk mit gasbetriebener Turbinemit34MegawattLeistung, vondenen 6Megawatt aus der Dampfturbine kommen. „Damit können wir alle sieben Werke am Saarbrücker Standort mit 90 Prozent der benötigten Energie versorgen“, erklärt Klemm. Obwohl Gas ein fossiler Energieträger ist, gilt die Kraft-Wärme-Kopplung als klimaschonend. Die gleichzeitige Umwandlung von Energie in mechanische oder elektrische EnergieundnutzbareWärmevermindert den Gesamt- CO2-Ausstoß. „Sollte es zukünftig Lieferprobleme bei Gas geben, können wir jederzeit auf Knopfdruck auf Netzbetrieb umstellen“, so Klemm. Teil eines EnergieeffizienzNetzwerks Ein zentraler Punkt ist für die Saarbrücker auch die Steigerung der Energieeffizienz, wie Frank Klemm erklärt: „Seit drei Jahren tauschenwir auf der 350.000Quadratmeter großen Produktionsfläche Beleuchtungen aus. Und durch das Ersetzen der Schaltschrankkühlgeräte durch energieeffizientere Anlagensparenwir rund2MillionenKilowattstunden Strom imJahr ein.“ Die Erfahrungen teilt ZF Saarbrücken im Netzwerk „E.E.f.I. 2.0 – EnergieEffizienz für die Industrie“ der Vereinigung der Saarländischen Unternehmerverbände (VSU) auch mit anderen saarländischen Unternehmen (siehe Interview in dieser Ausgabe). Weitere Infos: www.zf.com 15 ZF Saarbrücken bestückt die Beleuchtungen in den Produktionshallen mit energieeffizienten Leuchtmitteln. Einhaltung der Menschenrechte im Fokus Die Nachhaltigkeit des eigenen Unternehmenszusteuern, ist einTeil.Dasentsprechende Handeln von Unternehmen entlang der gesamten Lieferkette fließt allerdings auch inNachhaltigkeitsberichte ein. Diesemüssen sich strikt an den Geschäftspartnerkodex von ZF halten. „Auch auf die Lieferanten und Dienstleister haben wir ein Auge“, erklärt Klemm. „DieEinhaltungderMenschenrechte und der Ausschluss von Kinderarbeit muss gewährleistet sein. Das kontrollieren wir, unterstützenUnternehmenaber auchbei der Umsetzung unserer Richtlinien.“ [mjo]

VSE kontakt | Vorreiter „Nach unserer Erfahrung ist es beimThema EnergieeffizienzNetzwerk entscheidend, welchen Stellenwert es bei der obersten Führungsebene hat.“ Antje Otto „Die Sensibilisierung der Beschäftigten für ein energiesparendes Verhalten und Klimaschutz ist für die Unternehmen einwichtiges Thema.“ Simone Lony Nachhaltiges Saarland Netzwerk-Gründung: Gemeinsam geht Energieeffizienz wird dann das gemeinsame Netzwerkziel festgelegt. Welche Art von Unternehmen finden sich imNetzwerk? Lony: Teil des neuen Netzwerks sind bislang acht Industrieunternehmen aus verschiedenen Branchen. Hat die VSU Voraussetzungen für die Teilnahme definiert? Otto: Es gibt keine festen Kriterien, die ein Unternehmen erfüllen muss. Es muss einfach in dieRunde passen, damit ein sinnvoller fachlicherAustauschmiteinandermöglich ist. Denn die Unternehmen profitieren ammeistendurchdenErfahrungsaustausch innerhalb des Netzwerks. Sind weitereMitglieder vorgesehen? Otto: Bei Interesse können sich gern noch weitere Unternehmenmelden. Die Vereinigung der Saarländischen Unternehmensverbände (VSU) gründet ein Energieeffizienz- undKlimaschutz-Netzwerk. Auf das von 2019 bis 2022 bestehende Netzwerk „E.E.f.I. – EnergieEffizienz für die Industrie“ folgt nun E.E.f.I. 2.0. Ziel ist erneut, sowohl den Energieverbrauch und die Energiekosten der Unternehmen als auch den CO2-Ausstoß zu senken. Im Interview erklären VSU-Geschäftsführerin Antje Otto und Simone Lony, Referentin für Wirtschafts- undSozialpolitik, dasVorhaben. Wann wird das neue Netzwerk gegründet? Lony: Wir planen die Gründung des neuen Netzwerks für Juli. Welche Ziele verfolgen die Unternehmen? Otto:NachderGründunghabendieUnternehmen ein Jahr Zeit, ihre Maßnahmen und ihre Ziele zusammen zu definieren. Das geschieht auf freiwilliger Basis, es gibt keine Vorgaben oder Mindestanforderungen. Im Anschluss Mit ihrer Nachhaltigkeitsstrategie will die Landesregierung das Saarland fit für eine klimaverträgliche Zukunft machen. Im Leitbild werden sowohl ökonomische und ökologische als auch soziale Aspekte berücksichtigt und in Einklang gebracht. Doch wie arbeitet die saarländischeWirtschaft, wie stellen sich Firmen für eine nachhaltige Zukunft auf? kontakt stellt in Teil 2 der Serie die Nachhaltigkeitsstrategien der Saar-Unternehmen vor. 16

Vorreiter | kontakt VSE In welchen Bereichen können Industrieunternehmen Energie einsparen? Lony: Es geht vor allem um Querschnittsthemen wie zum Beispiel Druckluft oder den Fuhrpark beziehungsweise Elektromobilität. Aber auch die Sensibilisierung der Beschäftigten für ein energiesparendes Verhalten und Klimaschutz ist für die Unternehmen ein wichtiges Thema. Wie unterstützt die VSU die Unternehmen? Otto: Die VSU ist Netzwerkträgerin und organisiert regelmäßige Treffen, bei denen AnsprechpartnerinnenundAnsprechpartner aus den Unternehmen über ihre Projekte und Erfahrungen berichten oder es werden externe Referentinnen und Referenten für Fachvorträge eingeladen. Die Treffen finden nach Möglichkeit in einem der Mitgliedsunternehmen mit anschließender Betriebsbesichtigung statt. Allerdings mussten auch wir wegen Corona vermehrt auf Videokonferenzen ausweichen. Aus welcher Ebene der Unternehmen kommen die Beteiligten? Lony: Bei großenUnternehmenoft ausAbteilungen,diesichmitEnergieundNachhaltigkeit beschäftigen. Bei Netzwerken mit kleineren Unternehmen kümmert sich auch oft die Geschäftsführung selbst umdas Thema. Otto: Nach unserer Erfahrung ist es beim Thema Energieeffizienz-Netzwerk entscheidend,welchenStellenwert esbei derobersten Führungsebene hat. Voraussetzung für den Erfolg eines Netzwerks ist, dass personelle und finanzielle Ressourcen dafür zur Verfügung gestellt werden. [mjo] ­ Weitere Infos: www.vsu.de 17 Antje Otto, Geschäftsführerin der Vereinigung der Saarländischen Unternehmensverbände VSU Simone Lony, Referentin fürWirtschafts- und Sozialpolitik bei der VSU

durch nicht abgerufene öffentliche Fördermittel sowie überbordende Bürokratie. „Besonders kleine Betriebe leiden unter der Bürokratie, die wichtige Zeit für das Wesentliche raubt, nämlich kreativ etwas zu unternehmen“, so Stella Pazzi. Das Problem sei allen bekannt und sie fordert vehement mehr Entlastung in diesem Bereich von der neuen Landesregierung. Dringenden Handlungsbedarf sieht Pazzi zudembei Kita-Plätzen. „Der Fachkräftemangel ist eklatant und wenn wir junge Frauen gewinnen, die aber ein bis zwei Stunden am Tag Fahrtzeit verlieren, um ihr Kind in die Kita zu bringen und abzuholen, ist der Arbeitsplatzwechsel im Prinzip vorprogrammiert.“ Die Verweildauer neuer junger Mitarbeiterinnen in Betrieben liege mittlerweile bei nur noch zwei bis drei Jahren. Zu teuer für die Einarbeitung. Katja Hobler hofft auf schnellere und unbürokratische Hilfe bei der Integration von Ausländerinnen und Ausländern in die Gesellschaft und damit in denArbeitsmarkt. Neue Regierung, alte Probleme – die Herausforderungen für die neue Landesregierung sind riesig. Neben den noch nicht überwundenen Folgen der Corona-Pandemie und demKrieg in der Ukraine mit all seinen möglichen Auswirkungen steckt das Saarland mitten im Strukturwandel. Seit Jahren hinkt der kleinste Flächenstaat beimWirtschaftswachstum imVergleich zumBund hinterher. Weniger Bürokratie, moderne Infrastruktur, Zuzug von Fachkräften und mehr Wertschätzung des Handwerks Forderungen der saarländischen Wirtschaft Was die Saar-Wirtschaft von der neuen Landesregierung erwartet, darüber diskutierten der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer des Saarlandes, Bernd Reis, Geschäftsführer Oliver Groll von der IHK Saarland, die Geschäftsführerin des Software-Unternehmens für digitales Business Moltomedia, Stella Pazzi, die Geschäftsführerin von Glöckner Natursteine, Katja Hobler, und Christophe Hocquet, Mitgründer des High-Tech-Unternehmens für kognitiveDokumentenverarbeitungnatif. ai. Dazu eingeladen hatte der Arbeitskreis Wirtschaft in das Schloss Saarbrücken; die Moderation übernahm Verena Bisle vom Saarländischen Rundfunk. Die Last mit der Bürokratie Es sinddie altbekanntenProbleme, die von den Unternehmen ins Feld geführt wurden: Marode Infrastruktur, fehlende Kita-Plätze, Fachkräftemangel , verschenkte Gelder Bei einer Industriequote von 30 Prozent gelten die Schlüsselbranchen Automotive und Stahl als zu krisenanfällig. Die Leuchtturm-Ansiedlung SVolt wird durch Bürgerinitiativen möglicherweise gefährdet, die Zukunft von Ford an der Saar steht in den Sternen, die Ausgründungen und die damit verbundenen vielen neuen Arbeitsplätze rund um das CISPA lassen noch auf sich warten. So die Ausgangslage nach den Landtagswahlen Ende März. 18 VSE kontakt | Konflikt Wirtschaft

„Zu wenig junge Menschen interessieren sich für eine Ausbildung im Handwerk. Dabei bietet gerade unsere Arbeit in der Steinbildhauerei, die sicherlich körperlich anstrengend ist, interessante und sichere Berufsperspektiven.“ Mehr Wertschätzung für das Handwerk gefordert Während Oliver Groll das Problem des Transfers von Einwanderinnen und Einwandern in den Arbeitsmarkt eher daran festmacht, dass es zu wenig „Kümmerer“ und keine systematische Vorgehensweise gibt, bereitet Bernd Reis vor allem die mangelnde Wertschätzung des Handwerks in der Gesellschaft Sorge. „Studieren ist nicht immer der Königsweg. Die Anforderungen im modernen Handwerk von heute sind enorm gestiegen, oftmals ist das Abitur sogar Zugangsvoraussetzung in der Berufsausbildung.“ Gleichzeitig warnte er davor, dass wegfallende Industriearbeitsplätze eins zu eins im Handwerk übernommen werden könnten. Es gebe viele Hürden wie Qualifikation und Einarbeitungszeit in Handwerksjobs, andere Arbeitszeiten sowie niedrigere Löhne. Naturgemäß anders sieht das Christophe Hocquet. „Der Unicampus in Saarbrücken mit rund 20.000 Studentinnen und Studenten, Forscherinnen und Forschern sowie wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus dem In- und Ausland bieten uns ein riesiges Rekrutierungspotenzial. Wir sind in Saarbrücken, weil wir Talente im Bereich der Künstlichen Intelligenz KI für unser Wachstum brauchen.“ Gefunden hat er Saarbrücken übrigens über Google bei der Eingabe des Begriffs KI, denn beispielsweise mit demDeutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz undweiteren namhaften Instituten mit Weltruf verfügt Saarbrücken über einen guten Ruf in der KI-Szene. Viele junge Menschen würden gerne im Saarlandbleiben. AllerdingsmüsstedasLand bei günstigemWohnraum, beimAusbau des ÖPNVund bei 5Gdeutlich zulegen. Ein altbekanntes Problem, denn viele gut ausgebildete Studierende verlassen das Land mangels Perspektiven. Oliver Groll sieht bei diesen Themenauchdie saarländischenKommunen inder Pflicht. „Aufgrunddesdemografischen Wandels haben wir die Themen Wohnraum und einfacheMobilität in den letzten Jahren zu sehr schleifen lassen.“ Ein Ärgernis sei oft die unzureichende digitale Infrastruktur, so Katja Hobler. „Wir haben viel Geld in die digitale Ausstattung unser Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesteckt und dann scheitert es auf unseren saarländischen Baustellen bereits am WLAN.“ Und Stella Pazzi beklagt, dass der Ausbau des schnellen Internets schon auf Landesebene viel zu langsam vorankomme und verweist auf das leidigeBürokratie-Thema. „BeimDigitalpakt für Schulen standGeld zur Verfügung, dieMittel wurden aber so gut wie nicht abgerufenoder zu spät.“ Es sei alles viel zu bürokratisch; siemahnt mehr Professionalität in den Strukturen der öffentlichen Verwaltungan. DasFaxgerät sei definitivout. Christophe Hocquet forderte, Startups bei öffentlichen Ausschreibungen mehr zu berücksichtigen. „Wie sollen ein- oder zweijähriges Startup-Unternehmen Bilanzen der letzten fünf Jahre vorlegen?“ Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verzweifelt gesucht Den drohenden Fachkräftemangel sahen alle Vertreterinnen und Vertreter auf dem Podiumals vorrangigesProblemimSaarland. „Wir brauchenMasse vonaußen“, sagt Bernd Reis, undwarnt vor einem sich zuspitzenden Verdrängungswettbewerb um qualifizierte Arbeitsplätze. Er befürchtet außerdem, dass wichtige Investitionen künftig verstärkt in den Ballungsgebieten stattfinden und die Dörfer alsHeimat desHandwerks ausbluten. Es gibt einen Wettbewerb um Fachkräfte und einen Wettbewerb um Unternehmen. Bei letzterem sei die Politik gefragt und das bedeute, die Attraktivität des Standorts Saarland zu verbessern, so Stella Pazzi. Neben den hohen Gewerbesteuern fehle es im Saarland vielfach an geeigneten und großen Industrie- undGewerbeflächen, meint Oliver Groll. Die Marketingaktivitäten müssten sich künftig noch stärker auf andere Länder konzentrieren. „Das Saarlandmussweltweit mehr positive Schlagzeilen machen.“ Die Probleme sind bekannt. Wie ernst es umdieLösungbestellt sei, zeigeder Zuschnitt der Ministerien, ist sich Bernd Reis sicher. Von einem Vernetzungsministerium spricht Oliver Groll und hofft, dass für allesWichtige eine Ansprechpartnerin oder Ansprechpartner für die Wirtschaft zur Verfügung stehe. DenMut, Visionäres anzugehen und über die Legislaturperiode hinauszudenken, fordert Pazzi von der neuen Landesregierung. Für die Zukunftssicherung des Saarlandes wäre gemeinsam vieles möglich. [nea] Wirtschaft | kontakt VSE Moltomedia-Geschäftsführerin Stella Pazzi, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer des Saarlandes Bernd Reis, SR-Moderatorin Verena Bisle, IHK-Geschäftsführer Oliver Groll, Geschäftsführerin von Glöckner Natursteine Katja Hobler, Mitgründer von natif.ai Christophe Hocquet und AKW-Vorsitzender Harald Bellmann (v.l.). 19

Wir müssen uns so schnell es geht von fossilen Energieressourcen unabhängig machen. Dafür muss der Einsatz regenerativer Energien aus Sonne und Wind massiv beschleunigt werden. Ein weiteres wichtiges Zukunftsthema ist die Nutzung von grünem Wasserstoff im großregionalen Kontext. Ich bin überzeugt, dass wir in der Großregion zu einer Modellregion für dieWasserstoffnutzungwerden können. Die Voraussetzungen sind vorhanden: Es gibt ein grenzüberschreitendes Leitungsnetz, das für den Transport von Wasserstoff genutzt werden kann. Die beiden Netzbetreiber Creos Deutschland und GRTgaz arbeiten an der Machbarkeit des Infrastrukturprojekts „mosaHYc“ (Moselle Sarre HYdrogen Conversion) zum Transport von Wasserstoff. Die vorhandenen Leitungen reichen bis Luxemburg und bieten Anschluss an das südeuropäische Netz. Die Stahlholding Saar sowie Steag entwickeln ebenfalls vielversprechende Wasserstofftechnologien. Zur Herstellung von Wasserstoff gibt es sowohl bei St. Avold als auch in Völklingen-Fenne geeignete Standorte, mit Elektrolyseuren Wasserstoff im großtechnischen Stil zu erzeugen. Des Weiteren müssen wir sprichwörtlich Gas geben beim Ausbau eines Wasserstoff-Tankstellennetzes für Nutzfahrzeuge. Auch das macht nur Sinn, wenn wir das großregional forcieren. Dazu braucht es potentielle Kundinnen und Kunden sowie hohe finanzielle Hilfen. Was ist Stand der Dinge? GroßvolumigeWasserstoffanwendungen sindderzeit nochbegrenzt undkommenohne staatliche Förderung nicht aus, aber das Potential ist riesig und zahlreiche Projekte sind in der Pipeline oder bereits auf denWeg gebracht. Das Bundeswirtschaftsministerium stellt dafür im Rahmen der nationalen Wasserstoffstrategie die entsprechenden Fördertöpfe bereit. Im Saarland geht es bei der industriellen Wasserstoffnutzung vorrangig um die Herstellung von grünem Stahl. Saarstahl formuliert derzeit den Antrag, um Investitionsbeihilfen zu bekommen, die außerdem von der EU-Kommission auf BeihilfekonforDie Zukunft des Saarlandes liegt in Europa Anke Rehlinger, geboren 1976 inWadern, ist seit dem 25. April 2022 Ministerpräsidentin des Saarlandes. Zudem ist die Rechtsanwältin seit 2018 Vorsitzende der Saar SPD. Zuvor war Rehlinger Ministerin für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr. Dem Landtag des Saarlandes gehört sie seit 2004 an. Das Thema Energie bestimmt nicht erst seit demUkraine-Krieg die Schlagzeilen. Der inzwischen auch hierzulande spürbare Klimawandel erfordert eine noch schnellere Energiewende. Wie geht es beimZukunftsthemaWasserstoffweiter? Anke Rehlinger, Ministerpräsidentin des Saarlandes 20 VSE kontakt | Interview Die Herausforderungen für das Saarland sind enorm. Zu den noch längst nicht überwundenen Folgen der Corona-Pandemie kommt der unsägliche Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine mit unkalkulierbaren Risiken. Dazu die Dauerbaustellen Schulden, Fachkräftemangel, Transformation derWirtschaft und Klimawandel. Keine leichte Aufgabe für die neue Landesregierung. KONTAKT hat Ministerpräsidentin Anke Rehlinger gefragt, wie die Herausforderungen insbesondere bei der Energiewende gemeistert werden sollen.

mität überprüft werden müssen. Da es bei der Umstellung auf Wasserstoffnutzung für die Unternehmen um Investitionen in Milliardenhöhe geht, kommen eventuell auchBetriebsbeihilfen inFrage, die ebenfalls rechtlich zu prüfen sind. Allen handelnden Personen ist durchaus bewusst, dass die Zeit drängt undakuterHandlungsbedarf besteht. Ich bin optimistisch, dass wir in wenigen Monaten Ergebnisse haben. Wie soll das ThemaWasserstoff populärer gemacht werden? Das Saarland hat sich zum Beispiel an der Woche desWasserstoffs vom25. Juni bis 3. Juli beteiligt mit verschiedenen Veranstaltungen, mit Infoständen und Aktionstagen bei saarländischen Unternehmen, um den Bürgerinnen und Bürgern die Wasserstofftechnologie und deren Zukunftspotential näher zubringen. Außerdemfandder 1.Wasserstoffkongress der Großregion Ende Juni in Zusammenarbeit mit dem Luxemburger Energieministerium in Saarbrücken statt. Frankreich verfolgt eine völlig andere Energiestrategie als Deutschland und setzt bei der Stromerzeugung verstärkt auf Atomenergie. Außerdemwurden vielversprechende Projekte wie der Bau einer Mittelspannungsleitung zwischen dem Saarland und Lothringen auf Eis gelegt. Woran liegt`s? Die Politik setzt Rahmenbedingungen, kannProjekteanstoßenundfinanzielleMittel zur Verfügung stellen. Ob Projektemachbar sind, geplant und realisiert werden können, entscheiden die beteiligten Unternehmen. Die Nutzung von Atomenergie zur Stromerzeugung hat in Frankreich in der breiten Öffentlichkeit einenanderenStellenwert und wird nur von wenigen in Frage gestellt. Was dasAtomkraftwerkCattenominunmittelbarer Nachbarschaft betrifft, so stehen wir in der Großregion gemeinsam mit Luxemburg und Rheinland-Pfalz dem Atomkraftwerk Cattenom nach wie vor kritisch gegenüber. Letztendlich bleibt die Zukunft Cattenoms eine souveräne Entscheidung Frankreichs. Gegenüber unseren französischen Freunden werden wir aber unsere Bedenken weiter offen äußern. A propos Ansiedlungen und Erhalt von Industriearbeitsplätzen. Die SVolt-Ansiedlung soll noch in diesem Jahr in trockene Tücher. Was passiert, wenn das so groß angekündigte Projekt doch noch scheitert? Warum sollte das Projekt scheitern? Wir liegenandenbeidenStandorten inÜberherrn undHeusweiler-Eiweiler imPlan. Das Vorhaben ist transparent, offengelegt und nachvollziehbar und die Bürgerinnen und Bürger können ihre Einwände vorbringen. Dass es Proteste und Bedenken der Anwohner gegen AnsiedlungendieserGrößenordnunggibt, gehört zudemProzessmittlerweiledazu.Esgeht aber auch um die Zukunft des Industrielands Saarland, um den Erhalt und die Schaffung zukunftsfähigerArbeitsplätze indiesemLand. Schon heute ächzt dieWirtschaft vor allem imSaarland unter dem zunehmenden Fachkräftemangel. Wie kannman jüngere Menschen stärker für das Saarland begeistern bzw. sie zumHierbleiben bewegen? Wir müssen vor allem ein Stück selbstbewussterwerden. Das Saarland ist Stahl- und Automobilstandort – das Saarland ist auch ein weltweit anerkannter IT-Standort, hat eine exzellenteHochschul- und Forschungslandschaft, macht gerade große Schritte in der Gesundheitswirtschaft und hat in den vergangenen Jahren als Tourismusdestination massiv aufgeholt, auch wenn Corona diese Entwicklung einwenig eingetrübt hat. Wir stellen unsere Wirtschaft auf breitere Füße, etwa, indem wir Unternehmen aus solchen Branchen einen Platz geben, die bislang im Saarland nicht vertreten waren. Stichwort Nobilia. Mit der bei saaris angesiedelten Rückhol- und Halteagentur haben wir außerdem ein Instrument geschaffen, umStudierende, Hochschulabsolventen, Berufspendler und Fachkräfte für Jobchancen im Saarland zu sensibilisieren. Wir wollen saarländische Perspektiven aufzeigen. Am Ende geht es aber darum zu zeigen, dass das Saarland ein Ort ist, an dem man gut leben und arbeiten kann. Dazu braucht es einen Mehrklang aus attraktiven Arbeitsplätzen, familienfreundlichen Dörfern und Städten, ein gelungenes Freizeit- und Kulturangebot, aber auch einen gut funktionierendenÖPNV. Manchesdavonklingt dabei schonetwas lauter, anderes noch leiser. Aber es klingt nicht schlecht. Das müssen wir selbstbewusster auch nach außen tragen. SaarländischeWirtschaftsvertreterinnen und -vertreter fordern von der Landesregierung eine bessere Digitalisierung der Verwaltung und weniger Bürokratie. Wie soll das geschehen? In punkto Digitalisierung können wir im Saarland durchaus eine Schippe drauflegen. Wir haben deshalb die Zuschnitte der Ministerien geändert und das Thema Digitalisierung, das früher auf vielen Stellen verteilt war, imMinisterium für Wirtschaft, Innovation, Digitales und Energie unter Leitung vonWirtschaftsminister Jürgen Barke gebündelt. Eine zuständige Stelle zu haben, ist ein langgehegterWunschderWirtschaft. Mit einer verstärkten Digitalisierung der Verwaltung sollten wir in der Lage sein, bestimmte Vorgänge, die von den Menschen als bürokratisch empfunden werden, zu beschleunigen.Nachweis-undAuskunftspflichtenkönntendigital erledigt undGenehmigungen digital erteilt werden. Unser Anliegen ist es, die notwendigen Verwaltungsvorgänge mit Hilfe der Digitalisierung bürgerfreundlicher und schneller zu gestalten. Was ist Stand der Dinge beimgrenzüberschreitenden Schienenverkehr. Da scheint der Zug amSaarland vorbeizufahren, oder? Wenn Sie die Strecke Berlin-Parismeinen, ist noch nicht entschieden, ob die Streckenführung ausschließlich über Straßburg führen wird. Des Weiteren haben wir die definitive Zusage für mindestens vier tägliche Verbindungen von Saarbrücken nach Paris mit dem TGV bis 2025. Außerdem gibt es eine deutliche Takterhöhung der täglichen Zugverbindungen nach Metz und Straßburg. Saarbrückenwirddamit zu einem zentralenUmsteigepunkt in der Großregion. Alle Verkehre werden Direktverbindungen sein, in komplett neuen Zügen. Dafür wurde ein dreistelliger Millionenbetrag in die Hand genommen. Was die grenzüberschreitende Zugverbindung Niedaltdorf Richtung Bouzonville undweiter nach Luxemburg angeht, sindwir im Saarland allzeit bereit. Sie finden auch in Frankreich bei den Politikern aus der Region durchweg Fürsprecher für so ein Projekt, aber es müssen dort auch die entsprechenden Geldgeber überzeugt werden, zumal die Strecke in Frankreich verläuft und daran hängt es imMoment. Was die Strecke nach Luxemburg angeht, besteht derzeit keine direkte Verbindung vom Saarland aus. Wichtig wäre bei einer Zugverbindung dorthin, die Fahrtzeiten deutlichzuverkürzen, sonstmacht daswenig Sinn, die Menschen zum Umsteigen auf die Bahn zu bewegen. [nea] Weitere Infos: www.saarland.de 21 Interview | kontakt VSE

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